Chefredakteur Gnadenlos

■ Die Döpfner-Kurve geht zur „Welt“. Freude dort, daß man von Diekmann verschont blieb

„Da paßt er auch viel besser hin.“ Die Reaktionen waren überall dieselben, als gestern die Nachricht kam, Mathias Döpfner werde Chefredakteur von Springers Welt.

Der Mann der eigentlich für eine Karriere beim Verlagshaus Gruner + Jahr vorgesehen war, war zwischen den Titten und Nutteninseraten der ehedem linksliberalen Hamburger Morgenpost genauso deplaciert wie seine angestrengten Kommentare, mit ihren Sympathien für neurechte Schlawiner im ehedem liberalen Verlagshaus. Als seine größte publizistische Leistung gilt das Hochfeiern des Hamburger Amtsrichters Schill zum „Richter Gnadenlos“.

Nach dessen Maxime ging Döpfner gern auch selbst auch selbst vor: Seinen Amtsantritt in Hamburg versüßte er sich einst mit einem „Kettensägen-Massaker“ (so damals Gewerkschaftschef Jürgen Bischoff) unter den Redakteuren. Neben Döpfner verläßt auch Vize Thomas Schmid das Haus.

Der Großbürgersproß mit den besten Verbindungen hatte sich seinen Aufstieg auch anders vorgestellt. Schließlich sah er sich schon längst in der Stern-Chefetage und G + J-Boß Gerd Schulte-Hillen, dem er einige Jahre die rechte Hand machte, diesbezüglich bei sich im Wort.

Allein, in den mittleren Rängen beim Hamburger Verlagshaus spottete man längst über die „Döpfner-Kurve“. Und die zeigte stets nach unten, egal welches Blatt man dem 35jährigen anvertraute. Bei der Mopo sah sie so aus: Jahresdurchschnitt 96 (Döpfners Antrittsjahr) 151.000 Auflage, 1997 waren es 144.000. Tendenz sinkend. Noch krasser ging es zuvor bei der Wochenpost, die der Verlag nach Döpfners eineinhalbjährigen Vernichtungswerk gleich komplett abschrieb. Ein Blattmacher, sagen Untergebene, sei der Zweimetermann wahrlich nicht.

Nun kommt die Döpfner-Kurve also zur Welt. Und die ist solche Kurven gewöhnt. Nur in den letzten Jahren ging es mit Springers Defizitblatt ein ganz klein wenig aufwärts. Doch leider lag das an einem Mann, der in dem umkämpften Verlag von Anfang an nicht so wohlgelitten war. Thomas Löffelholz wird nun 65jährig aufs Altenteil geschickt – politisch verläßlichere Männer wie Springer-Altkader Claus Jacobi dürfen sich hingegen noch mit 71 als Redaktionschef bei der Welt am Sonntag umtun. Löffelholz hingegen brachte einst Springer-Großaktionär Leo Kirch gegen sich auf, weil er einen kritischen Kommentar druckte. Und Kirch hat mittlerweile bei Springer noch mehr zu sagen, als damals.

Wenn auch nicht mehr ganz so viel, wie es noch vor Monaten schien. Als Ende letzten Jahres Springer-Vorstandschef Jürgen Richter in einer Blitzaktion gegen den Schweizer „Gus“ Fischer ausgetauscht wurde und Bild-Chefredakteur Claus Larass der neue starke Mann im Vorstand wurde, da sah es nach einem Durchmarsch Leo Kirchs bei Springer aus, der mit seinen 40 Prozent seit Jahren gegen Verlagserbin Friede Springer (vertritt die Anteilsmehrheit) um die Macht bei Springer kämpft. Es gab detallierte Pläne, wie vor der Wahl im Herbst alle Springer- Blätter mit Kirch-Leuten auf Linie gebracht werden sollen. Schließlich hält Kirch eine enge Connection mit Kanzler Kohl. Doch weil dessen Stern im Sinken ist, scheint inzwischen selbst der bislang hochgefährdete Vertrag des liberalen Bild am Sonntag-Chefs Michael Spreng auf die nächsten drei Jahre gesichert. Schließlich kann der mit Schröder.

Und Friede Springer, die abgemeldet schien, wird in internen Führungstagungen wieder die „publizistische Verantwortung“ im Haus zugesprochen – während über Kirch schon einmal kritische Worte fallen. Das Duo Fischer und Larass – der über eine persönliche Connection nun auch die Döpfner- Sache klarmachte – erwies sich als nicht ganz so Kirch-verläßlich wie erwartet. Ein Larass-Spezi, der sich in der Welt bereits eingerichtet hat, muß nun auf einen anderen Einsatz warten. Kai Diekmann, ehemals Bild-Vize und Kanzlerbiograph lehnte dem Vernehmen nach den Welt-Chefposten ab, um sich auf einen Einsatz als Chef der Berliner Boulevardblätter Springers vorzubereiten. In der Welt freut man sich, daß wenigstens der Kelch an der Redaktion vorbeiging. Lutz Meier