BI klagt gegen demofreie Zonen

■ Aussichten, das Demoverbot vor Ahaus zu kippen, sind ungewiß: In Gorleben hatten solche Transportkorridore vor Gericht Bestand

Freiburg (taz) – DemonstrantInnen haben das „Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung“. Dies schrieb 1985 das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) allen Ordnungsbehörden dieser Republik hinter die Ohren. Auch die Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“ beruft sich nun auf das „Brokdorf-Urteil“ des BVerfG. Sie hofft damit, vor dem Verwaltungsgericht Münster die Demonstrationsverbote entlang der Castor-Strecke zu Fall zu bringen.

Auf einer Länge von zwölf Kilometern hat der Münsteraner Polizeipräsident Hubert Wimber (Bündnisgrüne) links und rechts der zum Zwischenlager Ahaus führenden Gleise alle unangemeldeten Kundgebungen verboten. Angemeldete Kundgebungen auf den Bahngleisen wurden ebenfalls ausnahmslos untersagt. Ob angemeldete Demonstrationen im „Transportkorridor“ stattfinden können, wird nach Polizeiangaben „je nach Einzelfall“ entschieden. Wichtig sei dabei, so ein polizeilicher „Medienbetreuer“ in Ahaus, daß die Maßnahmen zum Schutz des Castors nicht behindert werden können. BI-Anwalt Wilhelm Achelpöhler rechnet deshalb mit einem Verbot aller angemeldeten Demonstrationen.

Ähnliche Demoverbote hatte es auch schon bei den Castor-Transporten ins Wendland 1996 und 1997 gegeben. So hatte die Bezirksregierung Lüneburg im Vorjahr einen Korridor von hundert Metern von Versammlungen freigehalten. In beiden Jahren waren die Verbote allerdings gerichtlich bestätigt worden. „Die Versammlungssfreiheit begründet kein Recht zur absichtlichen Lahmlegung des Schienen- oder Straßenverkehrs“, betonte 1996 das Oberverwaltungsgericht Lüneburg. Auch „friedlich gewollte Versammlungen“ könnten angesichts früherer Erfahrungen schnell „in Blockaden des Transportes umschlagen“, so das Verwaltungsgericht Lüneburg im Vorjahr. Argumente, die sicher auch in Ahaus eine Rolle spielen werden.

„Es wollen doch nicht alle Leute die Gleise besetzen“, wendet Anwalt Achelpöhler gegen die polizeiliche Allgemeinverfügung ein. Die Bürgerinitiative will mit ihrer Klage nun versuchen, zumindest näher an die Bahngleise heranzukommen. „In Gorleben war der Korridor nur 100 Meter breit, in Ahaus dagegen sind es schon 900 Meter. Das sind doch ganz andere Dimensionen“, beschwert sich Achelpöhler.

Allerdings weiß auch er, daß das „Selbstbestimmungsrecht“ der DemonstrantInnen im deutschen Recht nur sehr beschränkt gewährt wird. Im Interesse „gleichwertiger Rechtsgüter“ muß es durchaus zurücktreten, hatte schon das BVerfG im Streit um die Demonstrationsverbote in Brokdorf entschieden. Damals war immerhin ein Demoverbot im Radius von 4,5 bis 9 Kilometern rund um das AKW für verfassungsgemäß erklärt worden, um militante Aktionen am Bauzaun zu verhindern.

Spannend ist dagegen der Ausgang einer Klage des grünen Landtagsabgeordneten Rüdiger Sagel. Weil sein Parteifreund Wimber nicht nur Anti-Castor-Demos, sondern ausnahmslos alle nicht angemeldeten Kundgebungen verbot, ging Sagel vor Gericht. „Wenn es zu Polizeiübergriffen kommt“, so seine Klage, „muß ich dagegen auch spontan demonstrieren können.“ Christian Rath