Baustellenbegehung statt Dinner

Großbritanniens Außenminister Cook besichtigt die künftige israelische Siedlung Har Homa – und trifft einen Palästinenser. Netanjahu verschlägt das den Appetit  ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen

Die israelischen Bulldozer haben dem Dschabal Abu Ghneim im Süden Jerusalems eine Punkfrisur verpaßt. Die befestigten Serpentinen glänzen in der Sonne. Noch stehen Pinien auf dem Hügel, doch wenn hier mit dem Bau der Siedlung Har Homa begonnen wird, werden sie fallen.

Noch bevor der britische Außenminister Robin Cook am Dienstag nachmittag eintrifft, ziehen dunkle Wolken am Himmel auf. Der Wind braust auf, ein Platzregen setzt ein, dicke Hagelkörner prasseln auf die steinige Erde. Die knapp 100 Siedler, die zum Protest gegen den Cook-Besuch angetreten sind, suchen Schutz in ihren Fahrzeugen, und auch der kleinere Demonstrationstrupp der Friedensbewegung Peace Now hat sich verzogen. Erst nach einer Viertelstunde kommen sie wieder hervor. Wann immer eine Kamera auftaucht, schreien die Siedler ihre Parolen hinaus: „Cook Antisemit“ und „Cook, geh nach Hause“. Ein Transparent sagt: „Jerusalem ist die Hauptstadt Israels“. Doch der Landstrich, um den es hier geht, gehörte bis 1967 zum Bezirk Bethlehem. Mit der Annektierung Jerusalems im selben Jahr zog die israelische Regierung kurzerhand die Grenzen der Stadt neu.

Auf dem Checkpoint der israelischen Armee am Fuße des Hügels zerrt der Wind an der israelischen Fahne. Ein paar Zelte und Baracken stehen auf einem aufgeschütteten Sandhaufen. Hinter dem meterhohen Zaun sind Betonplatten aufgereiht, die an die Berliner Mauer erinnern. Vor dem Kontrollpunkt liegen Betonklötze, die bei Bedarf den Eingang abriegeln können. Ein Wachturm, der ebenfalls Erinnerungen an die DDR- Grenze weckt, überragt das Areal. In einer Art Bushaltestelle aus Plastik stehen drei israelische Soldaten und kontrollieren Journalisten, die sich das Schauspiel nicht entgehen lassen wollen.

Doch Herr Cook läßt auf sich warten. Immer wieder hätte der begleitende israelische Sicherheitsoffizier die Kolonne des Außenministers angehalten, wird der britische Botschafter später erklären. Mal mit der Begründung, daß die Demonstration Herrn Cook gefährde, mal damit, daß erst die Ankunft weiterer Sicherheitskräfte abgewartet werden müsse. Bis zuletzt hatte die israelische Regierung versucht, Cooks Besuch in Har Homa zu verhindern. Verärgert war Premier Benjamin Netanjahu vor allem darüber, daß der Staatsgast die israelische Siedlungspolitik ins Zentrum seines Besuches rückte.

Als Cook endlich ankommt, schwillt das Geschrei der Siedler an. Die Erläuterungen, die Kabinettssekretär Danny Naveh dem britischen Außenminister gibt, sind nicht zu verstehen. Cook selbst gibt keinen Kommentar ab. Anschließend rauscht die Fahrzeugkolonne durch den Checkpoint. Im strömenden Regen steigt Cook aus. Umringt von Sicherheitskräften, Journalisten und schreienden Siedlern geht er etwa 100 Meter die Straße hinunter, die die Grenze zwischen Jerusalem und Bethlehem markiert. Dort erwartet ihn Salah Tamari, der palästinensische Abgeordnete des Bezirks, quasi als Ersatzmann für Feisal Husseini, dem Statthalter Jassir Arafats in Jerusalem. Auf Verlangen Israels war er vom gemeinsamen Besuch mit Cook in Har Homa wieder ausgeladen worden. Das Gespräch mit Tamari dauert knapp drei Minuten. Anschließend setzt Cook sich wieder in ein bereitstehendes Fahrzeug und betrachtet von dort aus den Hügel. Er muß mit ansehen, wie demonstrativ ein gelber Bulldozer in der Mitte des Hügels auftaucht und ein wenig hin- und herfährt. Die Botschaft ist klar: Die Arbeiten werden nicht gestoppt.

Tamari erklärt das Treffen mit Cook anschließend zum Sieg für die palästinensische Sache. Er habe dem Außenminister erläutert, daß dieses Gebiet völkerrechtlich gar nicht zum Stadtbezirk Jerusalems gehöre, sondern in seine Zuständigkeit falle. Cook habe Verständnis und Sympathie gezeigt. Das hatte Netanjahu offensichtlich weniger. Wegen des Treffens mit Tamari sagte der Ministerpräsident ganz undiplomatisch ein geplantes Abendessen mit dem britischen Außenminister ab.