Jürgen Fuchs und sein Roman „Magdalena“ – ein Stasiblues

Jürgen Fuchs wurde 1950 in Reichenbach/Vogtland geboren. Nach dem Wehrdienst (1969–71) studierte er, schon damals mit Robert Havemann und Wolf Biermann befreundet, in Jena Psychologie, wurde exmatrikuliert, 1976/77 für neun Monate inhaftiert und anschließend ausgebürgert. In West-Berlin bearbeitete die Stasi ihn weiter, es kam zu Morddrohungen und Anschlägen. Nach der „Wende“ forschte Jürgen Fuchs in der Gauck-Behörde über die Methoden der Staatssicherheit und über die Hintergründe seiner eigenen Inhaftierung. Aus seinen Erfahrungen entstand nun der romanhafte Bericht „Magdalena“. Fuchs protestiert mit diesem Buch gegen die Beschäftigung ehemaliger Stasi-Offiziere in sensiblen Bereichen der Behörde. Erstmals belegen Akten den „Zellenkrieg“ als gezielte Zersetzungsmethode in der DDR. Fuchs erfindet die „Knaststimme“. Sie begleitet den Ich-Erzähler, provoziert und ermutigt im Recherchealltag wie im früheren Kampf mit dem psychologisch geschulten Vernehmer. Diese Knaststimme nähert sich fünf Jahre nach der eigenen Knasterfahrung Matthias Domaschk in der Einsamkeit seiner Verhöre, um dessen Tod in der Stasi-U-Haft zu verhindern. In der Rekonstruktion der bis heute unaufgeklärten Todesumstände des jungen Oppositionellen erfährt die Handlung eine ihrer dramatischen Steigerungen. Fuchs nennt Freunde und Gegner mit Namen. Er schreibt über die Schuld der Vätergeneration in der Wehrmacht und in der zweiten deutschen Diktatur. Er geht schonungslos auf die frühe IM- Verstrickung seines Freundes Robert Havemann ein und schont auch nicht sich selbst. Angesichts des beinahe übermächtigen Stoffes findet er eine neue literarische Form, einen Collageroman aus Berichten, Biographien und Fiktionen, und bietet auf hohem Niveau die längst überfällige Einmischung. Udo Scheer

Jürgen Fuchs: „Magdalena. MfS. Memfisblues. Stasi. Die Firma. VEB Horch und Gauck – ein Roman“. Rowohlt Berlin, Berlin 1998, 520 Seiten, 45 DM