Kommunalwahl mit Blick auf Bonn

Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl hat die Kommunalwahl in Schleswig-Holstein mehr als nur regionale Bedeutung. Deswegen tummelt sich zum Wahlkampfendspurt auch die Bonner Prominenz im Norden  ■ Von Kersten Kampe

Kiel (taz/AP) – Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl ist die Kommunalwahl in Schleswig-Holstein am kommenden Sonntag auch ein Barometer für die politische Stimmung in Deutschland. Die beiden großen Parteien holten für die letzten Wahlkampftage zahlreiche Bundesprominenz in den Norden. Rund 2,2 Millionen Wahlberechtigte stimmen am 22. März über die Zusammensetzung der Kreis-, Gemeinde- und Stadtparlamente ab. Rund 13.200 Mandate werden in den 1.096 Gemeinden, elf Kreisen und vier kreisfreien Städten vergeben.

Die SPD setzt dabei ganz auf den Schröder-Effekt: „Nach dem Wahlsieg in Niedersachsen und der Nominierung von Gerhard Schröder zum Kanzlerkandidaten ist die SPD bis in die Haarspitzen motiviert“, freut sich Landesgeschäftsführer Christian Kröning. Damit das auch bis zum Schluß so blieb, kamen Gerhard Schröder und Parteichef Oskar Lafontaine zum Wahlkampfabschluß am Freitag nach Kiel. Mit ihrem Ziel – 40 Prozent plus X – will die SPD stärkste kommunalpolitische Kraft bleiben. 1994 erhielten die Sozialdemokraten 39,5 Prozent.

Zudem aber wird die Kommunalwahl auch die erste Probe der seit zwei Jahren existierenden rot- grünen Landeskoalition in Schleswig-Holstein sein. Und passend vor der Wahl hatten sich vergangene Woche die Bündnispartner darüber gestritten, ob und wie die Ostsee-Autobahn A 20 gebaut werden soll. Eine knappe Woche vor der Wahl einigten sich die Koalitionäre, aber so hatte jeder noch einmal die Chance, Profil zu zeigen.

Die Grünen setzen aber vor allem auf ihre kommunalpolitischen Wurzeln. Sie hoffen, daß sie keine Denkzettel für die Forderung nach einem Benzinpreis von fünf Mark und für den Dauerkrach um die A 20 bekommen. Parteisprecherin Birgit Müller: „Wir sind auf kommunaler Ebene auch dann gewählt worden, wenn es auf Landesebene ganz schlecht aussah. Wir hoffen, daß wir das Ergebnis von 10,3 Prozent halten können.“

Zwar spricht auch CDU-Landeschef Peter Kurt Würzbach davon, daß es jetzt um die Repräsentanten vor der eigenen Haustür, im eigenen Dorf und im eigenen Stadtteil geht. Doch zum Endspurt wurde ebenfalls Bonner Politprominenz ins Land geholt: Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann und Bundesinnenminister Manfred Kanther. Ansonsten aber bemüht sich Würzbach, den bundespolitischen Aspekt klein zu halten. Es sei sein Wunsch, daß „unsere Schleswig-Holsteiner sich nicht durch das, was in Bonn geschieht, verwirren lassen“, sagte der Unionschef. 1994 erreichte die CDU 37,5 Prozent.

Die FDP, die bisher in fünf von elf Kreisen und keiner der vier kreisfreien Städte vertreten ist und 1994 landesweit bei 4,4 Prozent landete, möchte im März Boden gutmachen. Einen neuen Rekord meldete die Partei der dänischen Minderheit, der Südschleswigsche Wählerverband (SSW): Mit 736 Kandidaten stellt der SSW seine bisher höchste Zahl an Bewerbern auf. Zum ersten Mal überschreitet die Partei der dänischen Minderheit (1994: 2,6 Prozent) auch ihre traditionelle Grenze des Nord-Ostsee-Kanals und damit die Grenze zwischen den Landesteilen Schleswig und Holstein.

Die Nase vorn aber haben die Wählergemeinschaften in den 1.096 Gemeinden: 1.270 Wählergruppen treten an. 1994 waren es 1.257. In 256 Gemeinden hat sogar keine Partei eine Chance, dort gibt es Einheitslisten. Und in 30 Dörfern, die unter 70 Einwohner zählen, entscheidet einmal im Jahr eine Bürgerversammlung.

Zugleich ist die Kommunalwahl voller Premieren: Zum ersten Mal werden in 20 Städten gleichzeitig die Bürgermeister und im Kreis Stormarn auch der Landrat direkt vom Wahlvolk bestimmt. Gewählt werden die Parlamente zudem statt wie bisher auf vier auf fünf Jahre. Zum ersten Mal dürfen rund 56.000 Jugendliche mit 16 und 17 Jahren wählen gehen. Schleswig- Holstein ist das zweite Land nach Niedersachsen, das das Wahlalter gesenkt hat. Ebenfalls Wahl-Premiere ist für rund 30.000 EU-Bürger, und gemeinsam mit den Jugendlichen sorgen sie für die neue Rekordzahl von 2,2 Millionen Wahlberechtigten.