Betr.: Gemein oder gemeinnützig

„Gesucht: Charismatische Führungspersönlichkeit mit Visionen, Pragmatismus und Innovationsgeist. Sollte networking ebenso beherrschen wie Motivationstraining. Gehalt ist Verhandlungssache.“

So oder so ähnlich könnte die Stellenanzeige für einen völlig neuen Managertypus aussehen: die Gemeinwohl-UnternehmerInnen. Sie spielen im Konzept der „Bürgerarbeit“ des Münchner Soziologen Ulrich Beck eine entscheidende Rolle. Unter ihrer Regie soll freiwilliges soziales Engagement von BürgerInnen kanalisiert und mit den Bedürfnissen und Nachfragen von Kommunen abgestimmt werden. Die Arbeit, wie Beck sie sich vorstellt, soll projektgebunden und zeitlich begrenzt sein. Die Betätigungsfelder reichen dabei von der Flüchtlingshilfe über Alten- und Krankenpflege bis hin zur Kulturarbeit.

Materiell gäbe es für diese Tätigkeiten lediglich eine „Belohnung“ in Höhe des Sozialhilfe- oder Arbeitslosenhilfesatzes; immateriell Ehrungen, Qualifikationen und Anerkennung von Sozialzeiten. Das nötige Geld für dieses „Belohnungssystem“, schlägt Beck vor, soll aus den Budgets für Sozial- und Arbeitslosenhilfe umgeleitet werden. Außerdem will Beck transnationale Konzerne „zur Kasse“ bitten.

„Bürgerarbeit“ sollen Erwerbstätige leisten, die eine Auszeit von ihrem Job nehmen wollen. Langzeitarbeitslose sollen darin einen neuen Lebenssinn finden. FrührentnerInnen, Mütter, Jugendliche: sie alle sind potentielle BürgerarbeiterInnen. Kommunen in Bayern haben bereits Interesse signalisiert.

Die Chancen und Risiken eines „Gemeinwohl-Sektors“ lassen sich schon heute beobachten: An Millionen von Ehrenamtlichen und Hunderttausenden von Arbeitslosen, die untertariflich bezahlt in Projekten ackern. Hier wird die „unbekannte“ Arbeit geleistet: im lokalen Radiosender ebenso wie im Netzwerk gegen Rechts oder in der Kirchengemeinde. Und dient nicht sogar manche „Schwarzarbeit“ dem „Gemeinwohl“? Die Grenzen zwischen den Arbeitsformen sind unscharf; das liegt in der Natur der Sache.