Sonne, Wind und Wasser versorgen eine ganze Stadt

■ Expo 2000 präsentiert das sächsische Ostritz als Vorzeigemodell für regenerative Energien

Ostritz (taz) – Von Mitte dieses Jahres an will sich die im Neißetal direkt an der polnischen Grenze gelegene Kleinstadt Ostritz selbst mit Energie versorgen – und zwar nahezu ausschließlich aus erneuerbaren Quellen. Grund genug für die Macher der Expo 2000, das 3.500-Einwohner-Städtchen im Rahmen der Weltausstellung als Projekt für „innovative Lösungsansätze für Zukunftsfragen der Menschheit“ vorzustellen.

Die Stadtverwaltung hatte bereits Anfang der 90er Jahre angefangen, ein Energiekonzept zu entwickeln, das sich vor allem auf die lokalen Ressourcen stützt: die vier Staustufen an der Neiße, den auf der Kammlage nördlich der Stadt beständig wehenden Wind und Holz aus den umliegenden Wäldern.

Kernstück der künftigen Energieversorgung wird nun das Biomasseheizkraftwerk sein, das zwölf Megawatt Heizwärme liefert – genug, um die ganze Stadt damit zu versorgen. „Für die Grundlast haben wir ein Blockheizkraftwerk auf Pflanzenölbasis mit 650 Kilowatt elektrischer und thermischer Leistung“, erklärt Norbert Menkhaus, der bei den Technischen Werken Ostritz als Umweltingenieur arbeitet. Der Pflanzenölmotor liefert den Grundbedarf an Wärme und erzeugt auf der Basis von Kraft-Wärme-Kopplung zusätzlich elektrischen Strom, der in das öffentliche Netz eingespeist werden soll.

Für die Mittellast gibt es zwei Holzhackschnitzel-Kesselanlagen, die mit Schwachholz und Holzabfällen aus den Wäldern der Region befeuert werden. Das vermeidet lange Transportwege. Die Spitzenlast wird über einen Pflanzenöl- Heizkessel mit 5,5 Megawatt thermischer Leistung abgedeckt. Menkhaus: „Das reicht auch für kalte Wintertage.“ Das Pflanzenöl aus den Samen von Raps oder Sonnenblumen soll von Ölmühlen aus der Region kommen.

Zum Verbraucher gelangt die Wärme über ein Fernwärmenetz, das rund 80 Prozent der 730 Ostritzer Haushalte abdecken könnte. Knapp 250 Abnehmer, Einzelhaushalte ebenso wie die Wohnungsbaugesellschaft, haben ihre Anschlußverträge bereits unterzeichnet. 152 Haushalte und acht kommunale Einrichtungen, von der Schule über das Feuerwehrhaus bis zum Altenpflegeheim, werden jetzt schon mit regenerativer Energie versorgt.

Eine Datenleitung verbindet jeden Haushalt mit dem Zentralrechner im Kraftwerk. Störungen oder Lecks lassen sich so sofort lokalisieren. Im Sommer soll das 20-Millionen-Mark-Projekt, das der Freistaat Sachsen mit fünf Millionen und die Bundesstiftung Umwelt mit zwölf Millionen fördern, offiziell eingeweiht werden.

Wind und Wasser runden das Konzept ab. Auf dem Höhenzug nördlich von Ostritz drehen sich seit Dezember schon zwei Windenergieanlagen, zwei weitere sollen folgen. Dann erzeugt Ostritz deutlich mehr elektrischen Strom, als es selbst verbraucht – zumindest rechnerisch. Denn praktisch hängt die Stadt weiterhin am Leitungsnetz der Esag, in dem sich keineswegs nur regenerativ erzeugte Elektronen tummeln. Fernziel solle deshalb sein, daß der regenerative Strom „tatsächlich zu den Abnehmern gelangt“, fordert Menkhaus. Dazu müßte die Stadt das Versorgungsnetz übernehmen. Doch dazu fehlt im Moment das Geld. Winfried Kretschmer