Kein Öl aus dem Herzen der Welt

■ Für langjährigen Widerstand gegen die Ölmultis Shell und Oxy erhält kolumbianischer Indianer-Gouverneur wichtigen Umweltpreis

Berlin (taz) – Sie kamen nachts. Einige bewaffnete Vermummte zerrten Roberto Cobaria aus dem Bett, drückten ihn zu Boden und verlangten seine Unterschrift unter eine Erklärung. „Sie sagten, wenn ich nicht unterschriebe, würden sie mich auf der Stelle umbringen. Ich erwiderte, dann sollten sie es tun, denn ich kann nichts ohne die Rückendeckung meines Volkes zusagen.“ So schildert der gewählte Gouverneur der 5.000 Uwa-Indianer aus Nordostkolumbien eine unfreiwillige Begegnung vor einem halben Jahr. Die Unbekannten hätten ihn geschlagen und danach in einen Fluß geworfen, wo er beinahe ertrunken wäre.

Am Montag abend nun konnte Cobaria seine zweite Auszeichnung in fünf Tagen entgegennehmen: den renommierten Goldman-Umweltpreis, der alljährlich in San Francisco an sechs herausragende UmweltaktivistInnen aus allen Erdteilen verliehen wird. Noch wichtiger als die 100.000 Dollar Preisgeld ist der politische Auftrieb für die Prämierten. Entsprechendes gilt für den Bartolomé-de- las-Casas-Preis (32.000 Dollar), den Cobaria am 15. April vom spanischen Kronprinzen Felipe in Madrid überreicht bekam.

Kurz zuvor hatte der schmächtige 44jährige auf einer Europatournee vom Widerstand der Uwas gegen die Ölmultis Shell und Occidental Petroleum (Oxy) berichtet. Seit sechs Jahren möchte der US- Konzern endlich mit den Bohrungen beginnen. Ein Drittel des über 2.000 Quadratkilometer großen Samoré-Gebietes in Kolumbiens östlichen Anden wird jedoch seit Jahrhunderten von den Uwas bewohnt.

„Wir sind nicht zu verkaufen, zu vermieten oder zu verschenken“, bekräftigte Cobaria. „Dann können wir uns gleich vergiften. Das Öl ist das Blut der Erde, und ohne Blut kann man nicht leben.“ Die Uwas sind davon überzeugt, daß sich das Herz der Welt auf ihrem Territorium befinde. Ihre ressourcenschonende Form der Landwirtschaft bringt es mit sich, daß sie nach jeder Ernteperiode das Anbaugebiet wechseln – so können sich zwei Drittel ihres Landes regenerieren. Die Erschließung ihres Gebietes – das haben vergleichbare Fälle gezeigt – wäre gleichbedeutend mit dem Untergang ihrer Kultur: Im Gefolge der Ölgesellschaft würden sie von Siedlern und bewaffneten Gruppen verdrängt.

1995 setzte sich das kolumbianische Umweltministerium über die Verfassung hinweg und erteilte Oxy die Bohrgenehmigung. Nach langem juristischen Hin und Her gaben vor Jahresfrist die höchsten Gerichte den Weg frei, worauf die Uwas die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) anriefen. Nachdem erst letztes Jahr bekanntgeworden war, daß auch Shell mit 37,5 Prozent am Samoré- Projekt beteiligt war, stehen diese Anteile zum Verkauf – in den USA waren die ersten Kampagnen in dieser Sache gegen den skandalumwitterten Multi bereits angelaufen. Nun verlegt Shell seine Aktivitäten in Kolumbien aufs Offshore- Geschäft.

Derzeit unternimmt die lange wie gelähmt wirkende Regierung unter Präsident Ernesto Samper alles, um ausländischen Investoren alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Etliche Ölmultis haben nämlich angesichts der anhaltenden Kriegssituation ihren Rückzug aus dem Lande angekündigt. Besonders die Guerilleros vom Heer zur nationalen Befreiung (ELN) setzen die Branche mit Anschlägen und Entführungen schwer unter Druck. Im März forderte Samper Oxy ausdrücklich auf, mit den Bohrungen im Samoré-Gebiet zu beginnen. Doch der Multi zaudert.

Da kommen die Auszeichnungen für den Gouverneur und sein Volk gerade recht: Während der internationale Druck auf Oxy wächst, soll das Geld zum Landerwerb verwendet werden. Die Uwas wollen die Flächen zurückkaufen, die ihnen in den letzten Jahren von Siedlern streitig gemacht wurden. „Natürlich freuen wir uns über die Preise, doch der Erhalt unserer Heimat ist der einzig wirkliche Preis, den wir wollen“, so Cobaria. Carlos Garcia und Gerhard Dilger