„Wenn ein Computer zu holen ist, geh' ich hin“

■ Der 1. Mai hat in diesem Jahr besonders viele Jugendliche aus Prenzlauer Berg auf die Straße gelockt. Ein Stimmungsbild von 12- bis 16jährigen, die den Tag in unterschiedlicher Erinnerung haben

„Die Bullen war'n krass, ey“, erinnert sich Dennis. „Dit war wie im Krieg hier.“ Zusammen mit seinen Kumpels hat sich Dennis die Mai- Krawalle – wie auch viele andere Jugendliche aus Prenzlauer Berg – live vor Ort angeschaut. Als an der Oderberger Straße, Ecke Kastanienallee die ersten Steine auf Seiten der Demonstranten flogen, kam ein Polizist auf Dennis zu und drohte: „Wenn du nicht gleich abhaust, schlage ich dir die Zähne ein.“ Den Rest der Straßenschlacht in Prenzlauer Berg beobachtete Dennis von einem Dachboden aus.

An der Randale beteiligten sich auch einige seiner Kumpels. Dafür hat der sechzehnjährige Schüler Verständnis: „Dit wird ja auch allet teurer“, sagt er. „Fahrscheine, Benzin und so.“

Die sechzehnjährige Maria dagegen zeigt weniger Mitgefühl mit „den Idioten, die randalieren“. Aber auch deren Gegenüber kann Maria nicht sympathisch finden. Im Gegenteil: Die Brutalität der behelmten Polizeibeamten habe sie erschreckt. Sie hat auf der revolutionären Maidemonstration am Freitag friedlich demonstriert, weil sie nicht damit einverstanden ist, „was im Staat Deutschland passiert. Dagegen müßte mehr gemacht werden“, sagt Maria.

„Die Leute kämpfen für gewisse Grundrechte, die in Berlin immer mehr eingeschränkt werden. Und sie kämpfen gegen Schönbohm“, erklärt der sechzehnjährige Frank. Seine Mutter hat ihm dieses Jahr verboten, auf die Demonstration zu gehen, weil er im letzten Jahr beim Böllerschmeißen von der Polizei erwischt wurde.

Nina, 19 Jahre, findet, daß das, „was die Polizei abzieht, mies ist“, aber der 1. Mai sei zur Farce verkommen. Sie fordert mehr konkrete Ziele und Pazifismus von den Demonstranten. „Ein Sitzstreik wär' besser.“ Nicht alle Jugendlichen aus Prenzlauer Berg waren am 1. Mai auf der Straße.

Sabine, 12 Jahre alt, hat „die ekligen Polizisten“ vom Fenster aus beobachtet. Alexander, 16 Jahre, war die Demo „zu politisch“. Er findet es nicht gut, „wenn durch Randalierer die Existenz hart arbeitender Leute kaputtgemacht wird“. Auch Markus ist zu Hause geblieben. „Da gehen nur Idioten hin“, und darauf hatte er „keen Bock“.

Den Leuten aus seiner Klasse mangele es auch an politischen Motiven, weiß Richard (14). Nur Abenteuerlust habe sie zur Demo getrieben.

Manche sind erst nächstes Jahr dabei: Micha (13) guckt auf die zerstörten Fensterscheiben des Computerladens an der Kastanienallee und kündigt an: „Wenn wieder ein Computer zu holen ist, geh' ich hin.“ Christian Haase/Kirsten Küppers