Holbrookes Mission droht zu scheitern

Der US-Gesandte kommt mit Pendeldiplomatie bei der Lösung des Kosovo-Konflikts nicht voran. Jugoslawiens Ministerpräsident nennt Sanktionen kontraproduktiv. WEU-Staaten beraten über Militäreinsatz  ■ Von Erich Rathfelder

Sarajevo (taz) – Die Gespräche des US-Sondergesandten Richard Holbrooke über den Kosovo-Konflikt in Belgrad scheinen zu scheitern. Bisher zeigt sich die serbische Seite unter Führung des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević nicht geneigt, einen Kompromiß anzustreben. Sie beharrt auf der Position, Kosovo sei eine „innere Angelegenheit“ Serbiens. Gestern meldete sich der jugoslawische Ministerpräsident Radoje Kontić zu Wort. Die gegen Jugoslawien verhängten Sanktionen seien „kontraproduktiv“, weil sie die Chancen für eine politische Regelung des Konflikts in weite Ferne rückten. Weiter zitierte die Nachrichtenagentur Tanjug Kontić mit den Worten: „Die Sanktionen verlangsamen den demokratischen Übergangsprozeß und ermutigen die Maximalforderungen der Separatisten und albanischen Terroristen.“ Überdies stelle die internationale Gemeinschaft „ungerechtfertigte Bedingungen“ für die Wiederaufnahme Jugoslawiens in internationale Institutionen.

Die Tatsache, daß Richard Holbrooke als Sonderemissär des US- amerikanischen Präsidenten auf der politischen Bühne erscheint, ist sicher ein Zeichen dafür, daß der Verhandlungsgegenstand für Washington allerhöchste Priorität hat. Mit seinem Besuch in Belgrad, Tirana und Priština soll der bisher glücklose US-Unterhändler Robert Gelbard unterstützt werden, dem vor wenigen Wochen von Milošević die Tür gewiesen wurde.

Auch gestern führten die Sondierungen der US-amerikanischen Diplomaten jedoch zu keinen neuen Erkenntnissen. Immerhin hat Albanien klargemacht, daß Grenzveränderungen nicht in Frage kommen und Tirana die Kosovo-Albaner nur darin unterstützt, Kosovo in den Rang einer eigenständigen Republik in einer neuen jugoslawischen Föderation zu erheben. Diese Position wird von den europäischen Mächten, besonder Frankreich und Deutschland, nur halbherzig unterstützt. Die Europäer streben nur eine erweiterte Autonomie für den Kosovo an.

Das erneute Erscheinen Holbrookes auf dem Balkan ist zudem ein Zeichen dafür, daß Washington die Initiative im Kosovo-Konflikt gegenüber den Europäern zurückgewinnen will. Die Sanktionen gegen Jugoslawien und das gestrige Treffen von Vertretern der WEU-Staaten auf der griechischen Insel Rhodos, die über einen Militäreinsatz der europäischen Streitkräfte in Albanien und Makedonien beraten, werden zwar von der US-Diplomatie mitgetragen. Aus diplomatischen Quellen in Sarajevo verlautet jedoch, daß die USA bei einer Verschärfung des Konflikts die Destabilisierung des Milošević-Regimes erwägen.

Zeichen dafür ist die Unterstützung für den Präsidenten der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro, Milo Djukanović. Die USA drängen darauf, das Embargo gegenüber Montenegro abzumildern. Daß nach sieben Jahren die kroatisch-montenegrinische Grenze bei Dubrovnik geöffnet wurde, werten Diplomaten in Sarajevo als ein weiteres Zeichen für die „Sonderbehandlung“ Montenegros. Im Gegenzug erklärte Djukanović, bei einem Kampfeinsatz der jugoslawischen Armee im Kosovo die montenegrinischen Soldaten zurückzurufen. Diplomatische Quellen gehen davon aus, daß Montenegro dem Kosovo einen Republikstatus in der jugoslawischen Föderation einräumen will.