„Andersen-Cocktail“ gefällig?

Um an den heißbegehrten Nachwuchs ranzukommen, jagen selbst Unternehmensberater den Zeitgeist. „Recruiting-Parties“ sollen das angekratzte Image aufbessern  ■ Von Ralf Knüfer

Wo „Recruiting“ draufsteht, muß noch lange nicht Militär drin sein. Waschpulver natürlich auch nicht. Gesucht werden „Agents of change“ oder schlicht Unternehmensberater. Gerüchte behaupten, daß Unternehmensberater schon mal achtzehn Stunden am Tag arbeiten müssen. Das mache dem Nachwuchs ein wenig Angst, plaudert eine Mitarbeiterin der Unternehmensberatung Andersen Consulting aus. Man ahne ja nicht, wie weit verbreitet heute postmaterialistische Werte seien. Deswegen versuche man, neue Wege zu gehen.

Wie macht man das heutzutage? Man gibt eine Party, „Recruiting Parties“. Die weltweit operierende Unternehmensberatung „Andersen“ veranstaltet Parties in Berlin, Darmstadt, Hamburg, München und Karlsruhe. Zum ersten Mal. Berührungsängste des Nachwuchses sollen abgebaut werden. Die Zutaten in Berlin sind ein ehemaliges Straßenbahndepot, Bami Goreng, Musik, ein Multimediapark und viele Leute, darunter sogenannte „Recruiter“. Etwa 700 Mitarbeiter müssen die „Recruiter“ in diesem Jahr in Deutschland noch anwerben, natürlich mit entsprechendem Profil. Wie das auszusehen hat, weiß keiner genau: Vielleicht begeisterungsfähig, sozial kompetent, Einzelgänger nicht, Querdenker schon. Selbstverständlich ist die Bereitschaft, sich mit Informationstechnologie auseinanderzusetzen. Etwa sechshundert junge Leute pilgern an diesem Montagabend nach Treptow in die „Arena“. Erst begegnet ihnen ein Plakat mit einem gelben Schriftzug auf schwarzem Grund: „Right time, right place, right party.“ In Ordnung. Weiter. Noch vor dem Einlaß warten zwei junge Herren in schwarzen Hosen und weißen Hemden mit einem Fragebogen in der Hand: „Können Sie sich vorstellen, eine Karriere bei Arthur Andersen zu starten?“

Vorstellen kann man sich ja viel. Weiter. Einlaß und Labyrinth, etwas aufgesetzt, um nicht zu sagen, albern. Mädchen als Cheerleader verkleidet, Mädchen als Breakdancer, Kunst, die entfernt an das Mouse Museum von Claes Oldenburg erinnert – nichts wird ausgelassen. Dann die Arena, die wie ein Technoclub hergerichtet ist. Ein riesiger Würfel wirft von allen Seiten Bilder in die Halle, umgeben von Terminals. In diesem Fall sogenannte Webkioske, die über „Andersen“ informieren.

„Schon den Andersen-Cocktail versucht?“ Da ist Wodka drin. „Sagen Sie mal! Ist das denn erlaubt?“ Man kann sich keine bessere Mitarbeiterin als Frau Kleinhaus wünschen. Sie berichtet von Strategie, Processing und Change-Management. Ein vollständiger Text schießt aus ihr heraus – wie macht die das? „Einstiegsgehalt 75.000 DM“, sagt sie.

Da will man doch gleich hier und jetzt... Wären da nicht diese Windbeutel, die von Mädchen in enganliegenden schwarzen Overalls mit gelbem Bauchring herumgereicht werden. Diese Windbeutel seien klasse, sagt eine, und sie hat recht. Diese Windbeutel... „Wie war das noch gleich...? 75.000, sagten Sie?“

„Berlin! Ein schwieriges Pflaster“, sagt Frau Kleinhaus. Schon recht und wie wahr! Inzwischen hat sich etwas getan. Die Band „Planet Soul“ bringt ein Ständchen. Langsam stimmt man sich auf den Höhepunkt des Abends ein, ein anspruchsvolles Multiple- Choice-Gewinnspiel nach dem Motto „Wer ist die größte, beste Unternehmensberatung im ganzen Land“. Axel gewinnt das zweimonatige Auslandspraktikum, aber Axel will sich darüber nicht recht freuen. Michael gewinnt den zweiten Preis, wird aber vom Publikum durch Countdown ausgezählt. Er ist bei „3 - 2 - 1 - AUS“ nicht auf der Bühne. Der Moderator bemerkt: „Man sieht, in der Beratung ist manchmal auch Schnelligkeit gefragt.“ Das Publikum johlt.

Ein Bandmitglied von „Planet Soul“ steht am Rande der Tanzfläche. Wie das so sei, hier zu spielen? Na ja, eben nicht besonders toll. „Schon eine harte Nummer, was die von Andersen bringen. Die Leute, die da einsteigen, verkaufen ihr Leben an einen Fake.“ Ein Informatiker findet das nicht so schlimm. Er habe nicht vor, einem geschenkten Gaul ins Maul zu gucken. Er sorgt sich mehr darum, ob er Heuschnupfen oder eine Erkältung hat. Ob nicht jemand eine Aspirin habe. So oder so. Der Moderator ist inzwischen beim dritten Preis: „Wochenende in einem schnellen Flitzer.“ Wird verteilt. Der Moderator tritt ab: „Bis zum nächsten Mal!“