Vorher Rauchen und Lächeln

■ Bei den offenen Europameisterschaften der Profigolfer auf Gut Kaden bei Alveslohe bestätigen sich einige Vorurteile - andere aber nicht

Der Putt war schwer. Ungefähr zwölf Meter lag der kleine weiße Ball vom Loch entfernt auf dem Grün. Der Caddy, Schlägerträger und Berater der Golfprofis, hatte ihn noch schnell mit seinem Handtuch gereinigt, damit er schön rollt. Lee Westwood kauerte auf dem Boden und versuchte die Spur zu lesen, jenen imaginären Weg, den die kleine Kugel zum Loch nehmen soll. Das 18. Green des Golfclubs Gut Kaden ist zwar relativ eben, dennoch reicht das kleinste Gefälle aus, den Ball am Ziel vorbeirollen zu lassen. Aber der Engländer hatte offensichtlich die Topographie genau studiert. Der Schwung des Putters war gerade so stark, daß der Ball mit letzter Kraft ins Loch plumpste. Sein 61. und letzter Schlag bedeutete am Sonntag Platzrekord. Damit war der Grundstein für den späteren Turniersieg gelegt.

Vier Tage spielten die besten Golfer der Welt um die offene Europameisterschaft der Profis in Alveslohe und zeigten, warum dieser Sport trotz aller berechtigten Kritik Aufmerksamkeit verdient. Die Mitgliedschaft in einem der exklusiven Vereine in Deutschland steht immer noch nur den Reichen offen – fünfstellige Summen, meist mit einer zwei am Anfang, als Eintrittsgebühr sind normal. Und die Attitüde des Noblen in diesen Clubs ist meist widerwärtig. Und auch die Platzplaner, die aus etlichen Hektar Grund eine öde Sportplatzwüste machen, gehören gebrandmarkt. Andererseits wird auch beim Golf umgedacht. So gibt es inzwischen die Tendenz, die Anlagen so zu konzipieren, daß zwischen den Spielbahnen Ökonischen aus Hecken und Sträuchern entstehen, in denen sich tatsächlich gefährdete Flora und Fauna findet. Und mit dem Blick nach Großbritannien und Irland – dort ist Golf bekanntermaßen Volkssport – gibt es auch bei uns immer mehr Plätze, auf denen man spielen darf, ohne Mitglied zu sein.

Ein anderes Vorurteil über Golf besagt, daß es sich eher um einen Spaziergang denn um Sport handele. Und wenn man einem Profi wie Darren Clarke zuschaut, könnte man meinen, die Spötter hätten recht. Noch beim Warmschlagen macht der Nordire seine Scherzchen und raucht mal eben die letzte Zigarette. Doch keine Leibesübung bedarf der Technik mehr als das korrekte Verteilen der Bälle in der Landschaft. Kein Spieler kommt weit mit Kraft. Die ständige Konzentration bedeutet Anstrengung. Nur wer über vier Runden, jede dauert knappe vier Stunden, Ball und Ziel immer im Auge behält, kann Topleistungen bringen.

So wie Lee Westwood. An den ersten beiden Tagen spielte er noch drei unter Par, wie der Standard von 72 Schlägen auf die 18 Löcher genannt wird. Für seinen Platzrekord mußte er nur 61mal den Ball spielen, und seine 66er-Runde am letzten Tag brachte ihm nicht nur den Turnierrekord ein, sondern auch das Preisgeld von 183.340 Pfund (rund 550.000 Mark). Der Zweitplazierte, eben Raucher Clarke, kann sich immerhin noch über 122.210 Pfund freuen.

Bernhard Langer, der beste deutsche Golfer, führte noch nach dem zweiten Tag. Aber eine bescheidene dritte Runde ließ ihn zurückfallen, so daß er mit seinem vierten Rang (und immer noch stattlichen 55.000 Pfund) zufrieden sein mußte. „Es wäre mehr drin gewesen. Aber die Jungen werden immer besser“, erkannte der bekennende Katholik, bezogen auf den Turniersieger. Galt früher der Grundsatz, daß Golfer mit dem Alter immer besser werden, so etablieren sich inzwischen die Jüngeren wie Westwood. Der ist gerade mal 25 Jahre alt, hat aber in seiner kurzen Karriere bereits acht Turniere gewonnen.

Der Nachwuchs bringt hoffentlich auch eine neue Klientel zum Golfsport. In den USA zumindest hat der Erfolg von Tiger Woods – des ersten erfolgreichen schwarzen Golfers und Popstars der Branche – zu einem erheblichen Imagegewinn beigetragen. Bis es in Deutschland soweit ist, werden jedoch wohl noch etliche Wohlhabende ihre Nase über Jeansträger in ihren Vereinen rümpfen.

Eberhard Spohd