Kleiner Klick für den Comicfreund

■ Die Energien des Trash nutzen, um die Werbewelt abzuwehren: Von Rattelschneck gibt es die erste CD-Rom, „Globus als Leckstein“

In „Koksen, um die Mäuse zu vergessen“, dem letzten Comic von Max Goldt und Katz, klären „die beiden netten Homos“ zwei amerikanische Freunde über die deutsche Comicszene auf. Dabei kommen sie auch auf Marcus Weimer und Olav Westphalen alias Rattelschneck zu sprechen: „Sie sind fidel, aber nicht schwul. Jeder zeichnet für sich, aber sie erscheinen immer unter dem Namen Rattelschneck.“ Nach zahlreichen Witzbildern in Titanic, taz und Zeit haben sie jetzt die CD-Rom „Globus als Leckstein“ vorlegt.

Das kommt einigermaßen überraschend. Denn die Multimediawelt lebt von der getreuen digitalen Vorspiegelung von Bewegung, Farbe und Perspektive; Rattelschnecks Figuren aber sind gekritzelt, irgendwie hingerotzt und ranzig. Mit dem Pixelfetischismus der Branche können die beiden nichts anfangen, schon die sonst heiligen Firmenlogos klieren sie hin, die Musik auf der CD-Rom klingt wie auf einem billigen Casio-Keyboard eingespielt, und der Ton wurde offenbar im Wohnzimmer aufgenommen. Es ist eine wahre Freude, wie hier sämtliche Wertvorstellungen – und damit auch die Werbeslogans – des Mediums mißachtet werden.

Wie das Layout, so ist auch der Rattelschnecksche Witz: „Sag es mit Meerschweinchen“ empfiehlt eine Zoohandlung in einem Cartoon. Und wenn per Mausklick der nächste Cartoon wie bei einem Diaabend angeklickt wird, raschelt eine Chipstüte dazu. Überhaupt lauert auf dieser CD-Rom überall Unsinn. Um auf eine andere Seite zu gelangen, muß Hergés rot- weiße Mondrakete gestartet werden, die in debilem Schlingerkurs aufsteigt. Ein großer Schritt für die Menschheit, tönte noch der Astronaut Armstrong geschichtsbuchträchtig. Bei Rattelschneck ist das nurmehr ein kleiner Klick für den Comicfreund.

Rattelschneck zeigen die großen Energien, die im Trash stecken. Trash verzichtet auf den Terror von Pädagogik, Schick und Tradition. Und damit ist Trash bei fünf Millionen Arbeitslosen und zahllosen McJobs ein zeitgemäßer state of the art. Was Christoph Schlingensief fürs Theater, Max Goldt für die Literatur, das hat Rattelschneck für die CD-Rom geschafft. Martin Zeyn

„Globus als Leckstein“. Navigo, München 1998, 39,90 DM. 486er oder 68040, mind. 16 MB RAM, Doublespeed