Giftgaseinsatz eine „honorige Verhaltensweise“

■ Eklat um Umbenennung der Schöneberger Fritz-Haber-Realschule. Bezirks-CDU verteidigt den Erfinder des Giftgases und diffamiert Ehepaar, daß in der Nazizeit jüdische Bürger rettete

Darf die Schöneberger Realschule am Tempelhofer Weg weiter den Namen Fritz Haber tragen? Für die Schöneberger CDU keine Frage. Für eine „Entehrung eines Deutschen jüdischen Glaubens“ hält es die CDU-Fraktion der Bezirksverordnetenversammlung, weil heute die SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit ihrer Mehrheit die Schule umbenennen möchte. Der Chemie-Nobelpreisträger habe durch seinen Beitrag zur Erfindung des Kunstdüngers „entscheidend zur Verringerung des Hungers auf der Welt“ beigetragen.

Sein „patriotischen Engagements im Ersten Weltkrieg“ – Haber ist als Erfinder des Giftgases für den Tod Tausender Soldaten verantwortlich – sei „aus damaliger Sicht eine honorige Verhaltensweise“, argumentiert die CDU und erntet die Empörung der Bündnisgrünen und der SPD. „Schämen für eine solche Formulierung“, erbost sich der SPD-Abgeordnete Eckhardt Barthel.

Die Realschule möchte schon seit vielen Jahren den Namen Haber loswerden, der kein Vorbild für die Schüler sein könne. Auch das Landesschulamt hat der Umbenennung bereits zugestimmt. Statt des Kriegstreibers Haber, dessen Frau 1915 aus Protest gegen den Giftgaseinsatz Selbstmord beging, soll die Schule nach dem Schuhmachermeister Wilhelm Teske und seiner Frau Luise benannt werden. Das streng religiöse Paar lebte im sogenannten bayerischen Viertel in Schöneberg und bot während der Nazizeit flüchtigen Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und jüdischen Berlinern bis zum Kriegsende Zuflucht und Verpflegung. Sie taten dies unter dauernder Lebensgefahr, weil die SS mehrfach ihre Wohnung durchsuchte. Das in den sechziger Jahren verstorbene Paar wurde 1983 durch eine Gedenktafel an ihrem Wohnhaus in der Rosenheimer Straße 5 geehrt.

Für die Schöneberger Schulstadträtin Ulrike Herpich-Behrens (Bündnis 90/Die Grünen) sind die gut dokumentierten Aktivitäten des Ehepaars ein gutes Beispiel, wie einfache Menschen Widerstand geleistet haben. Auch für die bündnisgrüne Bürgermeisterin Elisabeth Ziemer ist das Ehepaar Teske, „das Leben gerettet hat“, weit besser geeignet als Haber, der „zur Vernichtung von Leben beigetragen hat“. Dieses Engagement „ist durch nichts bewiesen“, vertritt dagegen CDU-Fraktionär Dietrich Nestler. Die Umbenennung zugunsten der Teskes, „von denen angenommen wird, daß sie Juden Hilfe leisteten, ist zwar gut gemeint, kann aber nicht mit der Verunglimpfung eines weltweit geachteten Wissenschaftlers einhergehen“. Nestler hält Haber als Namensgeber für die Schule gerade deshalb geeignet, weil „man trefflich über ihn streiten kann“. Er habe mit seiner Erklärung nicht den Giftgaseinsatz „beschönigen“ wollen und gesteht zu, daß die „komprimierte Formulierung“ mißverständlich gewesen sei. Wenn Haber als Namensgeber nicht akzeptabel sei, dann gelte das gleiche auch für den Kriegsgegner Albert Einstein, aus dessen „Forschungen manches Ungute entstanden ist“. Gerd Nowakowski