Lümmeln für Peanuts

■ Das Junge Theater bereitet Clark Gesners „Peanuts“-Singspiel „Good Man Charlie Brown“ wieder auf

Das Stück ist schlecht gespielt. Die Inszenierung geht nicht auf. Drei Stunden sind deshalb zu lang. Und die Leute werden trotzdem hingehen. Was soll man da noch schöne Worte suchen? Hopplahopp. Holterdipolter. Das Junge Theater zeigt Clark Gesners „Peanuts“-Singspiel „Good Man Charlie Brown“ als Sommervergnügen. Heiko Senst vom Bremer Schauspiel hat es einstudiert. Was ein kleines Wunder ist. Amen. Essen fassen.

Komme gerade von der Arbeit heim. Schalte die Herdplatten auf zwölf und im Fernsehen um neunzehnzwanzich das Erste ein. „Neeeeee??!!“ denke ich, „im neuen Bremer Tatort spielt ja doch'n Noch-Bremer mit. Es ist der Junkie, der da laut taz (vom 17. Juni) als Bündel Mensch sozialkritisch im Dreck liegt. Der wird von „buten & binnen“ eindeutig und zweifelsfrei als ebenjener Heiko Senst vorgestellt, der in seiner jetzt ablaufenden Zeit am Bremer Schauspielhaus nie über Unterbeschäftigung zu klagen hatte, der dann und wann an Hörspielen mitwirkt und auch noch gleich nach „buten & binnen“ im Jungen Theater „Charlie Brown“-Premiere feiert. Chapeau Heiko! Doch es scheint, als wollte er sich ein wenig und uns zu viel der Ruhe gönnen.

Es ist warm, wird heiß, wird schwül im Staate Peanut. Unentwegt kündigt die auf Video eingespielte Tagesschau-Wettervorhersage Gewitter an. Das macht das Reden schwer. Und Andrea Kanapee, die Ausstatterin, macht den halb in Unter-, halb in Ausgehwäsche kostümierten Akteuren auch noch das Gehen schwer, weil sie das ganze Peanut-Stadion mit Büchern ausgelegt hat. So schon wird das Lümmeln zwanghaft.

Mit bizarr mahnenden Sprüchen („Jesus wird uns decken“) an der Wand im Rücken und Woodstock als Rebecca-Horn-Flatterwesen über den Köpfen tummeln und räkeln sich Ensemble und Gäste des Jungen Theaters als Fleisch gewordene Comic-Figuren auf der Bücherei: Der Schroeder (Erkan Altun) Glenn-Gould-gebeugt über dem Klavier, die Linus (Nomena Struß) zwischen Ben Hur und Hanni und Nanni in der Schmusedecke, die lißpelnde Marcie (Brigitte Eigenmann) über den Valentinskarten, Hund Snoopy (Axel Deller) wie der „Dschungelbuch“-Panther auf einem Hochregal und Browns Charlie (Claus Franke), wie eh und je vom rothaarigen Mädchen träumend, auf einer Bank darunter.

Über die erst metaphernhafte und dann echte Theaterhitze hinaus muß Heiko Senst bei seiner Regieanlage Menschen mit viel Zeit, Arbeitslose wohl, vor Augen gehabt haben. Also inszeniert er viele, viele, viele Pausen zwischen den Dialoghäppchen und in die Monologe. Nur Martina Flügge hat als Luzie die Lizenz zum Lärmen, erstürmt wiederholt und türenknallend die Szene und sommert ein Pfund Temperament und zwei Kilo Impertinenz ins alte Stück.

Charles M. Schulz Peanuts sind in den Zehn-Sekunden-Zeitungsstrips oder den 30-Minuten-Fernsehcomics eine legendäre Clique von Woody-Allen-Wunderkindern. Sie sind für ihr Grundschulalter viel zu reflektierend-melancholisch. Die gigantische Nichtigkeit ihrer Sorgen und ihre Intellektualität macht sie so charmant wie komisch. Ihr lakonisch-psychologisierendes Sinnieren über verschmähte und heimliche Liebschaften kommt noch heute gut, kam aber in den 60ern noch besser, als Gesner ein paar wohl bekannte Strips zum Singspiel zusammenschrieb, einige Walzer und Märsche dazu komponierte und eine Kelle Musicalsauce darübergoß.

Damals erst viel und dann schnell abgespielt, hat es der aus dieser Gegend stammende Autor Nicholas Hause nicht auffällig inspiriert ins Deutsche übersetzt. Und Alexander Seemann hat die Musik für Schlagwerk, Baß, Piano und weiteres Instrumentarium arrangiert. Gut solide noch bereiten Seemann und die Kollegen Lüking und Kruzig in Kochkleidung den musikalischen Teil. Doch bis auf die Ausstatterin mit ihrer Phantasie und den Regisseur mit seiner planvollen, die meisten Gags aber verschlurfenden Verlangsamung messen sich alle nur am Original und kommen doch über sich selbst kaum hinaus. Das geht bei Claus Franke noch auf, weil er als Type sprechend und singend so Charlie-Brown-identisch dilettiert. Und auch Axel Deller verleiht seinem Snoopy von der kleinen Heimtücke bis zum hündischen Hintertrotten ein theatrales Eigenleben. Die anderen aber stülpen sich drei bis vier Charaktereigenschaften von den Comicvorbildern über, sind auf diese Weise nahe dran und doch daneben. Aber wie gesagt, die Leute werden trotzdem hingehen. Amen. Essen fassen. Christoph Köster

Weitere Aufführungen: 19. bis 21. und 24. bis 28. Juni um 20 Uhr