„Diepgen darf nicht vor den Problemen ausbüxen“

■ SPD-Fraktionschef Klaus Böger: Der Regierende Bürgermeister muß seine Zurückhaltung gegenüber Schönbohm aufgeben. „Durch diese Art der Politik leidet das Ansehen der Regierung“

taz: Ist es noch realistisch, den Entwurf des Landeshaushalts bis 30. Juni fertigzustellen? Schließlich gibt es Probleme mit dem Bausenator und mit Innensenator Schönbohm, der gerne 270 Polizisten mehr einstellen möchte.

Klaus Böger: Es sind Chefgespräche zu führen, um diese Begehrlichkeiten von verschiedenen Seiten abzuklären. Die Grundlage ist klar. Wir haben ein Konsolidierungsprogramm. Der Senat muß einen Beschluß zum Haushalt vorlegen, damit das Parlament in die Beratungen eintreten kann.

Der Regierende Bürgermeister muß endlich eingreifen?

Ja. Herr Diepgen ist eben nicht nur der Moderator der Koalition, sondern er hat eine Pflicht als Regierungschef. Ich erwarte und fordere vom Regierungschef, daß er nicht vor den Problemen ausbüxt.

Nimmt Herr Diepgen auch gegenüber dem Innensenator seine Rolle zuwenig wahr, der jeden Tag mit neuen Stichworten provoziert, ob es nun die Integration der Ausländer oder auch die Kompetenzen der Bezirke angeht?

Ja. Der Herr Diepgen hält sich hier auffällig zurück.

Vergiftet Schönbohm das Klima der Koalition?

Ich finde, Herr Schönbohm hat jetzt mehrere Granateinschläge produziert, um mal im militärischen Bild zu bleiben. Dazu gehören seine mehr als fragwürdigen Positionen zur Integration von Ausländern. Es ist unverschämt, daß er die SPD als Wasserträger der SED diffamiert und wie zum Hohn das Gedenken des 17. Juni 1953 mißbraucht. Nun tritt er auch noch als Zuchtmeister von Bezirksstadträten auf, nachdem wir beschlossen haben, den Bezirken mehr Verantwortlichkeiten zu geben. Das geht so nicht.

Schönbohms Positionen gehen doch die gesamte Koalition an. Ist es eine Aufgabe des Regierenden Bürgermeisters, Schönbohm Einhalt zu gebieten?

Alle diese Konflikte haben einen in etwa gleichen Ablauf. Ich weigere mich, dem immer gleichen Konfliktschema zu folgen. Ein Streit eskaliert, dann sagt Diepgen: Jetzt kommen die Streithähne mal zusammen, und Papa Diepgen hat euch lieb. Diese Spielereien bin ich leid. Der entscheidende Punkt ist, daß durch diese Art der Politik das Ansehen der Regierung leidet. Es ist das wirkliche Ärgernis dieser Großen Koalition, daß die CDU- Seite vor den notwendigen Gestaltungsaufgaben ausweicht.

Geredet wird seit Jahren von einem Familienpaß, die Koalition hat ihn vor einem Jahr beschlossen. Das Geld aber fehlt bislang. Wir haben für den Familienpaß bereits 820.000 Mark aus Lottomitteln bereitgestellt, immerhin ein erster Schritt.

Aber nicht ausreichend.

Ich gehe davon aus, daß im Haushaltsentwurf dafür eine Summe eingestellt wird. Die Mittel für den Familienpaß bereitzustellen ist aber nur eine Seite. Entscheidender ist es, an welch anderer Stelle im Haushalt wir etwas wegschneiden. Da muß es Umschichtungen geben. Denn zusätzliche Ausgaben kann sich das Land Berlin nicht leisten. Interview: Gerd Nowakowski