Ficken fürs Vaterland

■ Wie die Stasispione Westsekretärinnen per Liebesbetrug zum Geheimnisverrat brachten, zeigt eine ARD-Dokumentation. Wir sehen: Spionage ist viel trüber als James Bond (23 Uhr, ARD)

Es ist eines der zynischsten Kapitel der Spionage: Der gezielte Mißbrauch von Gefühlen, das Vortäuschen einer Liebesbeziehung, um in den Besitz möglichst vieler Geheimnisse des jeweiligen Gegners zu gelangen. Dem dahingeschiedenen Auslandsgeheimdienst der DDR, HVA genannt, wird nachgesagt, dieses Feld besonders erfolgreich bestellt zu haben.

Die Herren der „Hauptverwaltung A“ (der Frauenanteil war marginal) hatten sich schon Anfang der sechziger Jahre spezialisiert – auf einsame und sozial isolierte Sekretärinnen, die in Parteien, Ministerien und Behörden Zugang zu vertraulichen Unterlagen hatten.

Die Rechnung, das weiß man seit dem Untergang der DDR, ist weitgehend aufgegangen. Die westliche Spionageabwehr hatte sich darauf konzentriert, die männlichen „Geheimnisträger“ unter Beobachtung zu halten. Dabei hat sie übersehen, daß die Frauen in den Vorzimmern der Macht einen nahezu gleichwertigen Zugang zu Geheimnissen hatten.

Elisabeth Pfister ist es als einer der wenigen JournalistInnen gelungen, einige Opfer der sogenannten „Romeo-Agenten“ zu befragen. Bemerkenswert ist das auch deshalb, weil sich diese nur selten öffentlich zu erkennen geben.

Die Methoden der HVA waren ausgesucht perfide. Stasi-Mitarbeiter untersuchten, welche Frauen in welchen Positionen Zugang zu internen Unterlagen hatten. Persönlichkeitsprofile wurden angefertigt. Dann wurde auf Konferenzen diskutiert, wie eine Beziehung aufgebaut und die Frau von dem Romeo emotional abhängig gemacht werden könne. Eine besonders beliebte Masche: Der Herr aus dem Osten stellte sich als weltgewandter Ausländer vor, der für ein Friedensinstitut zu arbeiten vorgab. Anwerbung unter „falscher Flagge“ heißt das im Fachjargon aller Geheimdienstler – stasiintern rechtfertigten die HVA-Mitarbeiter ihre Liebesfallen drastischer: „Ficken fürs Vaterland“.

Eine repressive Sexualmoral und die fehlende Wertschätzung für die Arbeit als Sekretärin hat Elisabeth Pfister als eine der Ursachen ausgemacht, warum sich Frauen so häufig hereinlegen ließen. Als fleißige graue Mäuse seien sie in den Institutionen zu oft verachtet worden – vor allem dann, wenn sie nicht verheiratet waren.

Die sehenswerte Dokumentation belegt einmal mehr, daß die Arbeit der Geheimdienste wirklich nichts mit Thrillern à la James Bond zu tun hat. Spionage zerstört vielmehr das Leben und die Biographien der darin handelnden Menschen. Wolfgang Gast