AKW im Erdbebengebiet

■ Siemens plant Reaktor nahe Adana – dem Zentrum der türkischen Erdbebenkatastrophe

Berlin (taz) – Nach der Erdbebenkatastrophe in der türkischen Provinz Adana sehen sich die Gegner des geplanten Atommeilers in Akkuyu im Süden der Türkei bestätigt. Das Erdbeben der Stärke 6,3 vom Wochenende kostete 144 Menschen das Leben, und mehr als 1.000 Menschen verletzten sich. Doch das wäre nichts gegen die Zahl der Opfer, die eine Kernschmelze durch ein Beben nahe dem geplanten Reaktor fordern könnte. Das geplante AKW soll nur 100 Kilometer vom Zentrum des Bebens entfernt entstehen. Siemens-KWU ist an dem umstrittenen Projekt beteiligt.

Würde die Erde in der Bruchlinie rund 20 Kilometer vom geplanten Standort Akkuyu ähnlich stark beben wie jetzt etwas weiter weg in Adana, so Johann Wimmer vom Öko-Institut Darmstadt, könne das ausreichen, um das geplante AKW so stark zu beschädigen, daß es wie in Tschernobyl zur Kernschmelze kommt. „Wie jüngst im slowakischen Mochovče ist Siemens wieder einmal bereit“, kritisiert Henrik Paulitz von der Ärzteorganisation IPPNW, „ein Atomkraftwerk trotz massiver Sicherheitsrisiken zu errichten.“

Eine Studie der kanadischen Erdbeben-Prognose-Gesellschaft in Ottawa bestätigt das Risiko starker Beben in der Nähe von Akkuyu. Innerhalb der kommenden 40 Jahre gebe es im 100-Kilometer- Umkreis um den Standort eine Wahrscheinlichkeit von 50 zu 50 „für ein Beben der Stärke 7 und mehr“. In jedem Jahrhundert ereigneten sich in der Türkei 137 schwere Beben der Stärke 6 und höher, wie jetzt in Adana. Auch die nahe Bruchlinie der Erde 20 Kilometer vor dem AKW-Standort sei noch aktiv.

In der Vergangenheit hat sich öfter gezeigt, daß vorgeblich erdbebensichere Gebäude doch einstürzen. So erging es etwa den Hochautobahnen in San Francisco oder im japanischen Kobe. In der Türkei wurde angesichts des jüngsten Bebens inzwischen gegen einige Bauunternehmer Haftbefehl erlassen wegen Pfusch an Gebäuden, wie der türkische Sender NTV gestern meldete. urb