Kommentar
: Und mit Kippa?

■ Kopftuchträgerin darf in Baden-Württemberg nicht Lehrerin werden

Die 25jährige deutsche Muslimin Fereshta Ludin wird nicht in den Schuldienst des „Musterländles“ übernommen. Damit dürfte sie das erste Wahlkampfopfer in diesem zunehmend von rechten Tönen geprägten Wahlkampf sein. Denn klar ist: Würden keine Wahlen in Bayern und im Bund anstehen, hätten sich Landesvater Erwin Teufel und seine Kabinettsdame Annette Schavan, die sich von dem Rabauken und Ex-Kultusminister Mayer- Vorfelder ansonsten wohltuend abhebt, wohl für die Pädagogin entschieden. Teufel hatte recht, als er sagte: Entscheidend ist nicht, was eine Person auf dem Kopf trägt, sondern was sie im Kopf hat. Natürlich müssen die SchülerInnen vor der Werbung für Fundamentalismus geschützt werden – zumal wenn es sich um türkische Schülerinnen handelt, die kein Kopftuch tragen wollen. Wer Glaubenssymbole als politisches Instrument mißbraucht, hat an der Schule nichts verloren. Was spricht jedoch dagegen, wenn eine Frau ihr Kopftuch als Ausdruck ihres individuellen Glaubens trägt? Wollen wir zukünftig die jüdische Kippa, das Mönchs- und Nonnenkostüm ebenfalls verbieten?

Die Türkei ist in diesem Zusammenhang kein Vorbild. Dort sind Kopftücher an Schulen und Universitäten verboten – das sollte für hiesige Demokraten kein Argument sein. Denn der türkische Laizismus hat mit dem deutschen Säkularismus nichts gemeinsam. In der Türkei gibt es eine quasi staatlich verordnete türkisch- (sunnitisch-)muslimische Staatsideologie, mit dem mächtigen Amt für religiöse Angelegenheiten in Ankara als oberster Aufpasserbehörde. Oder möchte die Große Koalition der Menschheitsbeglücker im Stuttgarter Landtag jetzt auch wie in der Türkei die Rocksaumlänge von Lehrerinnen festlegen und Bärte und lange Haare verbieten?

Ich bin kein Freund des Kopftuches und kann auch die Argumente der anderen Seite nachvollziehen. Handelt es sich um die verfassungsmäßig garantierte Freiheit der Religionsausübung, oder wird die Pflicht zur staatlichen Neutralität (siehe Kruzifix-Urteil) und damit das Recht der SchülerInnen, nicht ungewollt weltanschaulich-religiösen Einflüssen ausgesetzt zu sein, verletzt? Diese Abwägung kann stets nur individuell erfolgen. In diesem Fall sollten wir das Recht einer deutschen Muslimin auf individuelle Äußerung ihres Glaubens respektieren. Cem Özdemir

Der Autor ist grüner Bundestagsabgeordneter