Ökosiegel: Lasche Kontrollen locken Fälscher

■ WWF feiert FSC-Gütesiegel: Konzerne garantieren Holz ohne Kahlschlag schon auf zehn Millionen Hektar Wald. Doch das Ökosiegel wird kaum überwacht – Betrugsfälle häufen sich

Münster (taz) – Zehn Millionen Hektar Wald konnten inzwischen vom Weltforstrat FSC anerkannt werden als Waldflächen, die nachhaltig bewirtschaftet werden – das entspricht der Waldfläche Deutschlands. Für den WWF, Mitinitiator des internationalen FSC- Ökosiegels, ein Grund zum Feiern. Doch während in Frankfurt zur Feier ein riesiger Baumkuchen angeschnitten wurde, halten andere Umweltverbände kleine Brötchen für angebrachter, weil nicht immer ökologisch geschlagenes Tropenholz drin ist, wo FSC draufsteht.

In den vergangenen Monaten flogen allein vier namhafte deutsche Unternehmen auf, die Tropenholzware fahrlässig oder absichtlich mit falschen Ökoversprechen beworben hatten. Den Baumarktketten Praktiker und OBI folgten Tchibo und die zur Ikano- Gruppe (Ikea) gehörende Einrichtungskette Habitat. Letztere hatte ihre Kunden per Aushang informiert, angebotene Teakholzartikel stammten aus indonesischen Wäldern, deren Qualität „von einem unabhängigen, vom WWF zugelassenen Institut zertifiziert“ würde. Auf Robin-Wood-Nachfrage erklärte Habitat, bei dem Institut handele es sich um den FSC. Tatsächlich aber gibt es kein FSC- Holz aus Indonesien.

Kaum hatte Habitat Anfang dieser Woche bedauert, „daß beim Produktmarketing der Möbel aus Teak ein Fehler unterlaufen“ sei, da kam der nächste Fall: Ein großer Teil der Tropenhölzer, die seit 1997 beim Buhnenbau an der Ostseeküste verwendet wurden, stammt nicht aus FSC-kompatibler Waldbewirtschaftung, trägt aber angeblich solche Zertifikate.

Recherchen der Münchener Initiative Pro Regenwald ergaben, daß die brasilianischen Acaricuara-Baumstämme, die in einem Wert von 1,4 Millionen Mark in Rostock angeliefert wurden, größtenteils aus nichtgeprüften Betrieben gekauft worden waren. Die Ostsee-Baustelle bei Warnemünde galt bisher als Vorzeigeprojekt, weil es der erste Großeinsatz zertifizierter Hölzer bei öffentlichen Bauvorhaben werden sollte. Der WWF und eine „Initiative zur Förderung nachhaltiger Waldbewirtschaftung“ (ifw) hatten den Einsatz der Tropenhölzer begrüßt. Beide Organisationen bemühen sich seit Jahren um die Vermarktung von FSC-Hölzern.

Ifw-Geschäftsführer Stefan Schardt kämpft gleichzeitig an einer zweiten Front. Als die taz im April 1997 vor den jetzt aufgetauchten Schwachstellen des FSC- Siegels warnte, sprach Stefan Schardt von einer „vorsätzlichen und böswilligen Attacke“. Womöglich müssen Schardt, aber auch der WWF umdenken, weil sich die „unsachlichen Angriffen“ mehr und mehr als belegbare FSC-Blößen entpuppen. „Bisher gibt es praktisch kein FSC-zertifiziertes Holz auf dem deutschen Markt, aber schon reichlich Betrugsfälle“, sagt Reinhard Behrend von „Rettet den Regenwald“. Sämtliche Fälle seien von kleinen Umweltgruppen und nicht vom FSC aufgedeckt worden. „Wie soll der Verbraucher unter solchen Umständen Vertrauen zu dem neuen Kennzeichen haben?“ Während der Schadstoffausstoß von Fabriken durch Gewerbeämter und Polizei kontrolliert werde, überwacht keine Instanz die Einhaltung der FSC-Standards.

Zwar arbeiten dort auf dem Papier Umweltverbände und Industrie gemeinsam an Konzepten zur nachhaltigen Forstwirtschaft. Doch steuerte der FSC in jüngster Vergangenheit stramm in die Arme der Wirtschaft. Für 200.000 Dollar ließ er sich von der Consultingfirma „Coopers & Lybrand“ einen „Strategieplan“ ausarbeiten. Dieser strebt an, möglichst schnell Wälder zu zertifizieren, um die Nachfrage nach besiegeltem Holz befriedigen zu können. Mehrere amerikanische Industrie-Stiftungen (Rockefeller, MacArthur, Ford, Global Allace) machen ihre Gelder für den FSC von der Annahme des Plans abhängig. Doch ein Druck auf schnelle Zertifizierung führt zwangsläufig zu einer Aufweichung der Kriterien. Werner Paczian