Keine Wahlwerbung!

■ Wie eine Gemeinde in Thüringen versuchte, Plakate zur Bundestagswahl zu verhindern

Wir schreiben das Jahr 16 nach Kohl. Wahljahr. Ganz Deutschland wird von den Parteien mit Werbung überzogen. Ganz Deutschland? Ganz? Nein, aber das kleine Dorndorf (2.100 Seelen) in Thüringen leistet Widerstand gegen den Wahlkampfmüll. Aber es ist nicht leicht für die Dorndorfer.

taz: Herr Enkelmann, Sie sind 62 Jahre alt und ehrenamtlicher Bürgermeister von Dorndorf. Ihr Gemeinderat hat beschlossen, daß zu dieser Bundestagswahl in Dorndorf keine Partei Plakate kleben darf.

Klaus Enkelmann: Ja, das kam so: Im Gesetz steht, daß der Gemeinderat mit einem formellen Beschluß Parteienwerbung zulassen muß. Den habe ich eingebracht.

Und der Gemeinderat...

...hat den Beschluß einfach abgelehnt und gesagt: Nein, bei uns diesmal nicht.

Mögen die Dorndorfer keine Parteien?

Man hat im Frühjahr unsere Grundschule geschlossen. Ab dem nächsten Schuljahr gehen unsere kleinen Kinder auf die Schule des Nachbardorfes. Die Eltern müssen sie dorthin fahren. Das dauert mindestens 20 Minuten. Wir Dorndorfer haben protestiert, aber keiner hat auf uns gehört. Da waren die Leute schon sauer.

Und deshalb wollen die Dorndorfer keine Plakate zur Bundestagswahl?

Tja, dazu kam noch, daß einer unserer mittelständischen Unternehmer einen ganz unverschämten Bettelbrief von der CDU erhalten hat, er möge doch bitte Geld für deren Wahlkampf spenden. Und dieser Unternehmer sitzt im Gemeinderat. Da dachten sich unsere zwölf Gemeinderäte, denen zeigen wir es mal, und haben den Beschluß, Wahlplakate zuzulassen, abgelehnt.

Ihr Gemeinderat ist doch nicht etwa von störrischen Altkadern unterwandert?

Nein, wir haben nicht einen PDSler im Gemeinderat. Ich selbst bin Mitglied in der CDU.

Ganz Deutschland liegt im September im Wahlfieber, allein Dorndorf bleibt eine Insel der Ruhe.

Von wegen. Das Ganze hat mir eine Menge Ärger gebracht. Fünf Seiten hat mir die Kommunalaufsicht geschickt! Der Gemeinderat soll „...formal zustimmen...“, heißt es dort. Wir dürfen gar nicht ablehnen!

Das ist bestimmt nicht gut angekommen in Dorndorf.

So etwas ist doch wirklich traurig. Da wiehert doch noch nicht einmal der deutsche Amtsschimmel, so ein Kasperltheater ist das.

Die Parteien tragen zur Meinungsbildung bei, argumentiert die Kommunalaufsicht.

Dann wird die Propaganda eben geklebt.

Sind die Dorndörfer nicht sauer, weil das Votum ihres Gemeinderates einfach ignoriert wird?

Für uns heißt es: Wenn der Gesetzgeber es da oben regelt, dann ist es für uns geregelt. Mit Bürgermeister Enkelmann sprach Robin Alexander