Vogelscheuchen gegen Wissmann

■ Die Bundesregierung will die Saale mit 220 Millionen Mark zur Großwasserstraße ausbauen. Umweltschützer halten das nicht nur für naturschädigend, sondern auch für überflüssig. Seit gestern veranstalten sie ei

Barby (taz) – 1.350 Tonnen, 100 Meter Länge, bis zu 2,50 Meter Tiefgang. So lauten die visionären Eckdaten, die Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) auf der Saale umsetzen will. Nach den Plänen sollen auf dem Fluß im nächsten Jahrtausend bis Halle genormte Großschiffe der Europaklasse fahren. Doch soweit ist es noch nicht: Gestern begann im sachsen-anhaltinischen Barby – dort wo die Saale in die Elbe mündet – ein Protestcamp. Unter dem Motto „Stau dem Bau – wir bleiben im Fluß“ wollen Umweltschützer bis zum Wochenende Strategien gegen die Wissmann-Pläne beraten. Und „die verheerenden“ Folgen für die Natur aufzeigen, wie der Leiter des Elbeprojekt-Büros, Ernst Paul Dörfler, sagt.

Wie sich eine zur technisch genormten Rinne umgebaute Saale in der Landschaft ausmacht, wollen die Campteilnehmer am kommenden Wochenende schon mal ausprobieren: Unter der Leitung der australischen Performance- Künstlerin Janis Sommerville stecken sie die geplante Flußführung mit Vogelscheuchen ab.

220 Millionen Mark will Bonn in Flußbegradigung, Schleusenmodernisierung und den Bau einer neuen Staustufe bei Klein Rosenburg stecken. Wissmann rechnet nach der Realisierung mit 3,6 Millionen Jahresgütertonnen auf dem Fluß. Derzeit schippern nur knapp 45.000 Tonnen über die Saale, es gibt aber Untersuchungen, nach denen der Bedarf stark steigen soll.

Nun wenden die Gegner des Saale-Ausbaus ein, der Transport könne doch auch über die Schiene laufen. „Wozu 220 Millionen verschleudern, wenn es gar kein Transportproblem gibt?“ fragt Dörfler. Tatsächlich bestätigt die Deutsche Bahn in Magdeburg, daß die Bahntrasse, die parallel zum Fluß läuft, längst nicht ausgelastet sei. Täglich könnten bis zu 65.000 Tonnen zusätzlich auf dieser Strecke gefahren werden.

Inzwischen reichte die Bundeswasserstraßenverwaltung beim Land Sachsen-Anhalt die Unterlagen für das Raumordnungsverfahren ein. Experten rechnen damit, daß das Verfahren nicht mehr vor der Bundestagswahl eröffnet wird. „Es wird aber wahrscheinlich noch im Herbst kommen“, schätzt Peter Westenberger vom Bund für Umwelt und Naturschutz. Allerdings hängt der Ausbau nicht nur am Raumordnungsverfahren: „Selbst wenn das Raumordnungsverfahren zu ungunsten des Projekts ausfällt, kann danach ein Planfeststellungsverfahren begonnen werden“, erklärt Markus Schrötter von der Grünen Liga. Letztlich werde die Frage von der Politik in Bonn entschieden. „Wir glauben, daß die Pläne nur bei einer rot-grünen Bundesregierung vom Tisch kommen.“ Nick Reimer