Die Werbung macht die bessere Politik

■ Die Fast-food-Kette "Burger King" hat zur Bundestagswahl im Internet eine eigene Partei gegründet, weil auf dem "Whopper einfach mehr drauf ist". In Berlin leistet das "Dönernetzwerk" erste Hilfe für

Wenn Köpfe an den Laternen hängen, wird es bekanntlich ernst, auch wenn es nur die Porträts deutscher Spitzenkandidaten für das Bundeskanzleramt sind. In fünf Wochen wird gewählt, und weit besser als die Bonner Parteien haben Werbedesigner begriffen, welche Chancen ihnen die Wahl im Internet bietet. Wer auf die Homepage von Burger King (www .burgerking.de) klickt, findet keine Pommes mit Ketchup, sondern die Werbung einer Partei: der BKD. Das Kürzel steht für „Burger King Deutschland“. „Im Superwahljahr 1998 lag es nahe, eine Partei zu gründen“, begründet Marketingleiter Pascal LePellec die PR- Kampagne, die Anfang April gestartet wurde.

Die ersten 14 Tage trat BKD noch als Bürgerbewegung auf. Bauzäune und Litfaßsäulen wurden plakatiert, Gratispostkarten verteilt, und auf Stellwänden wurde das auch auf ihren WebSeiten abrufbare Wahlkampfmotto „Freiheit, Gleichheit, Mahlzeit“ unters Volk gebracht. Die Adresse www.bkd-zentrale.de wurde zur „wahren Wahlkampfzentrale der neuen Bürgerbewegung“, schwärmt Petra Reicheneder von der Münchner PR-Agentur Ketchum, die die Kampagne begleitet und durchschnittlich 550 Hits pro Tag als „ein sehr positives Ergebnis“ verbucht.

Burger King füllt die Lücke, die Politiker im Netz bisher hinterlassen haben. „Leere Versprechungen“ und „Einheitsbrei“ sei alles, was die etablierten Parteien zu bieten haben, sagt BKD und empfiehlt den eigenen Kandidaten: Der „Whopper hat einfach mehr drauf“. Während „Jungwähler“ angeblich den „Whopper Jr“ bevorzugen, wird für „Vertreter der vegetarischen Fraktion“ der „Country Burger“ bereitgehalten. Und auch die Grünen sind käuflich: als frischer, knackiger und koalitionsfähiger „Premium Salat“.

Auch sein nächstgelegenes „Wahllokal“ (gemeint sind die Burger-Filialen) kann sich der politisch Gebildete auf speziellen Seiten in ganz Deutschland anzeigen lassen. Natürlich kann man der BKD auch beitreten. Potentielle Parteimitglieder werden mit 10 Renault-Twingos und 20 LTU- Flugreisen nach Miami geködert. Außerdem gibt es in allen 158 Parteikantinen in Deutschland spezielle Angebote für sie.

Mittlerweile ist „Burger King Deutschland“ unter der Adresse www.wahlkampf.de nicht nur als für die Bundestagswahl 98 „zugelassene Partei“ zu finden, sondern erhält zur eigenen Überraschung auch aus der offiziellen Parteienlandschaft zunehmend Beachtung. Voll Stolz berichtet die Burgerpartei auf ihren Online-Seiten, daß Franz Müntefering, Bundesgeschäftsführer der Sozialdemokraten, in einem offenen Brief eine gewisse Übereinstimmung zwischen den Zielen der beiden Parteien feststellte und nicht ausschloß, daß die Mitglieder beider Parteien aneinander Geschmack finden könnten. Vielleicht heißt es deswegen bei den King-Burgern ganz SPD- getreu: „Zeit für den Wechsel“.

In diesem Fall könnte allerdings nicht Kohl, sondern McDonald's gemeint sein. Der große Bruder ist schon lange unter www.mcdonalds .de offiziell im Internet erreichbar – nach Ansicht von Reicheneder allerdings „nicht vergleichbar mit BKD“. Die Werbefrau hat recht. Zu sehen ist eine Stadt, deren Hochhäuser wie zu groß geratene Pommes vorstehen, überragt nur von einem McDonald's-Schild. Wenig später ertönt Musik aus dem Lautsprecher: „McDonald's ist einfach gut.“ Also doch genau wie Helmut Kohl?

Einigermaßen originell wird es erst, wenn man auf die zahlreichen inoffiziellen McDonald's-Seiten surft: Zuneigung findet McDonald's nämlich bei der Jugendorganisation der CDU. „Drei- bis viermal pro Woche“ essen die Jung- Unionisten aus dem schleswig-holsteinischen Kreis Stormarn bei McDonald's, wie ihr Webmaster Arne Goetje erzählt. Die Seite des „Clubs der anonymen McDonaldisten“ (www.geocities.com/Capitol Hill/2011/mc_do.html) ist bundesweit im CDU-Netz zu lesen. Sie enthält ein Testformular, mit dem MacDonald's-Fans ihr McRestaurant beurteilen können. Bewertet wird nach „Mouthfeeling“ oder nach der Frage, ob die Bedienung „sexy“ gewesen sei. Parteipolitische Zusammenhänge will Goetje darin nicht sehen. Für ihn ist die McDonald's-Seite nur eines der „Spaßbretter neben Plauderecke, Kochrezepten und Witzen“, die bei der JU Stormarn im Netz stehen, um „nicht nur dröge Politik“ zu bieten.

Bleibt Berlin, der kommende Regierungssitz. Hier herrscht weder Burger noch McDonald's, sondern der Döner. Unter www .donerfabrik-karmez.com hat die Dönerfabrik Kamez auch online einen „neuen König des Fast food“ inthronisiert. Auf deutsch, englisch und türkisch huldigt sie dem „drehenden Braten“, wie „Döner Kebab“ übersetzt heißt. Anfang der 70er Jahre boten einige türkische Köche erstmals Döner Kebab in Berlin-Kreuzberg an. Mitterweile werden nach Schätzungen des Vereins türkischer Dönerhersteller in Europa (ATDIT) alleine in Berlin in 1.500 Verkaufsstellen täglich 250.000 Portionen verschlungen. Das „Dönernetzwerk“ unter user page.fu-berlin.de/mhol/doener charts.html will nach den Worten seines Webmasters Markus Holzhauer vor allem für künftige Neuberliner eine „Orientierungshilfe“ liefern, Menschen außerhalb der Dönerhauptstadt müssen sich mit dem Menüpunkt „Provinzdöner jenseits von Spree und Havel“ trösten.

Nicht ohne Schadenfreude blickt das Netzwerk auf die Burger-Proleten herunter: „Jeder, der ein halbwegs normales Verhältnis zu seinem Gaumen und Portemonnaie hat, wird zumindest in Berlin statt pappiger McFreß- oder Würgerkingbuletten auf einen saftigen Döner zurückgreifen.“ Walter Jungbauer

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