Kommentar
: Unnötiges Eigentor

■ Die US-Regierung muß Beweise für Chemiewaffen im Sudan vorlegen

Washingtons Image in der arabischen Welt hat mit der Bombardierung der pharmazeutischen Fabrik im Sudan einen weiteren Kratzer im ohnehin abblätternden Lack erhalten. Die Arabische Liga hat den US-Militärschlag einstimmig verurteilt. Damit haben die USA ein weiteres Eigentor in der Region produziert.

Hätten sich die US-Militärs mit einem Angriff auf die Basen des neuen Staatsfeindes Nummer eins, Ussama Bin Laden, in Afghanistan begnügt, es wäre wohl kaum zu einer derart negativen Reaktion in der arabischen Welt gekommen. Die afghanischen Taliban sind in den meisten arabischen Ländern genauso unbeliebt wie ihr berüchtigter Gast Bin Laden. Denn die mit ihm zusammenarbeitenden militanten Islamisten sind für die Staaten inzwischen zu einem ernsthaften Sicherheitsproblem geworden.

Der Schlag gegen eine pharmazeutische Fabrik in Khartum hat dagegen eine andere Dimension. Der arabische Mißmut entspringt nicht nur der Tatsache, daß die Hauptstadt eines souveränen Mitglieds der Arabischen Liga bombardiert wurde. Als besonders ärgerlich wird empfunden, daß sich Washington bisher nicht die Mühe gemacht hat, seine Anschuldigung, daß es sich bei dem bombardierten Objekt um eine Produktionsstätte von Chemiewaffen handelt, zu belegen.

Innenpolitisch hätte es für die US-Regierung kaum einen Unterschied gemacht, ob nur Afghanistan oder auch der Sudan den Preis für die Anschläge auf die US- Botschaften in Nairobi und Daressalam bezahlt hätten. Daß mit dem überraschenden Militärschlag gegen den Sudan negative politische Auswirkungen in Kauf genommen wurden, läßt eigentlich nur zwei mögliche Schlüsse zu: Entweder die Vereinigten Staaten sind total ignorant oder auch arrogant gegenüber den politischen Gegebenheiten im Pulverfaß Nahost, oder aber sie haben konkrete Hinweise, daß in der besagten Fabrik tatsächlich Chemiewaffen produziert worden sind, die später einmal bei Anschlägen gegen US-amerikanische Einrichtungen hätten verwendet werden können.

Ersteres wäre peinlich, zweiteres vielleicht eine Rechtfertigung, die sogar von den meisten arabischen Regierungen akzeptiert werden könnte. Dazu bedarf es allerdings konkreter Beweise, und genau die hat Washington bislang noch nicht vorgelegt. Karim El-Gawhary

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