Danke (9)
: In höherem Auftrag

■ Keine Gegner, keine Partei, keine Wähler: Schröder ganz allein mit dem Erhabenen

Seit Gerhard Schröder gewissermaßen unter Pop-Verdacht geraten ist – der will ja gar nicht arbeiten, der will ja nur schillern! –, haben sich seine Strategen etwas ausgedacht. Kurz vor der Bundestagswahl wollen sie einen neuen Fernsehspot präsentieren, in dem Schröder bei einem Spaziergang an der See gezeigt wird. Die ARD gab ihren Zuschauern neulich in einem recht lustigen, unverfrorenen Porträt (bei dem es übrigens auch zu erschütternden Aufnahmen des Kandidaten für den Posten des Wirtschaftsministers, Jost Stollmann, kam) einen kleinen Vorgeschmack.

Das Motiv, das die Vorlage für den Spot abgegeben hat, ist klar: Es war eindeutig Caspar David Friedrichs „Der Mönch und das Meer“. Gerhard Schröder hat den Kopf von uns ab- und den Fluten zugewandt, in dunkle Gewänder gehüllt, er ist allein mit dem Erhabenen, fast als wäre die Kamera gar nicht da. Fast als wäre die Partei nicht da. Es sind auch keine Gegner da, oder Frauen, oder Wähler, oder sonstwer.

Er tut es nicht für den Ruhm, so signalisiert der Spot, Schröder handelt in höherem Auftrag.

Wenn die deutsche Romantik bemüht wird, um einen Kandidaten vom Verdacht des Opportunismus oder der Substanzlosigkeit zu befreien, heißt es aufgemerkt. Es gibt ja so gut wie nichts Antipragmatischeres, Vergangenheitsverliebteres, –tümelndes als die German Gothics mit ihrem Herz für die Kindheit des Volkes, das Rittertum, die schaurigen Ruinen und so weiter.

Moderne Städte, sagen wir mal Düsseldorf oder, naja, Hannover, passen überhaupt nicht dazu. (Ein verwunschenes Stadtschloß aber schon, hihi!) Gefühl über Kalkulation, Glaube über Common sense, Genie über Büffeln und Arbeiten, Natur über Kultur, Konvention und Kunst – das können doch wohl nicht des Aufsteigers neue Kleider sein? Das riecht ja wie Saumagen!

Die Gesittung, die einem die deutsche Neo-Romantik von Rammstein bis Guildo Horn vortanzt, ist dezidiert kleinbürgerlich, mit Achselschweiß-Intensität (“Du rriechst so gut!“) und blutgetränkten Liebesschwüren.

Das kann ja wohl ein Franz Müntefering nicht durchwinken wollen. Komisch, daß die Ästhetik des Wahlkampfs aber trotzdem nach all den Jahren – und obwohl die Nazis uns doch das Ländliche ziemlich verdorben haben, immer noch Angst vor dem Städtischen, dem Hedonistischen, dem guten Leben hat.

Dabei hat die SPD durchaus prima Plakate in der Richtung gemacht. Letztens erst eins gesehen: Herz Damen und Kreuz Buben, beide verheißungsvoll lächelnd. Darunter steht: Schwule und Lesben wählen SPD! Die Partei hat mit ihnen eine Trumpfkarte gezogen. Mariam Lau

Lebt als freie taz-Autorin in Berlin