Kleine Perversionen von Hasen in Hosen

■ Cornelia Kempers spielt, singt und kunstet Chansons und Prosahäppchen des Neo-Dadaisten Gerhard Rühm

Zugegeben: Gerhard Rühm ist kein sehr bekannter Mann. Die Suchmaschine „Yahoo“ findet über ihn im Internet nur 48 Einträge. Zum Vergleich: Bill Clinton wird 60.667mal erwähnt, Kanzlerkandidat Gerhard Schröder immerhin 637mal und selbst Edzard Schmidt-Jortzig (Kennse nich? Ist Bundesjustizminister!) taucht 326mal auf. Doch eins hat der in Deutschland lebende österreichische Schriftsteller Gerhard Rühm den anderen voraus: Unter den 48 Einträgen findet sich einer namens „Bremer Theater – Spielplan“. Und auf dem Spielplan steht er, weil das Bremer Theater seine Kunst seit Donnerstag abend unter dem Titel „Ich kunste, Sie zahlen“ im Brauhauskeller live und in Farbe vorstellt.

Der österreichische Dichter Ernst Jandl (234 „Yahoo“-Fundstellen) lobte den österreichischen Dichter Gerhard Rühm einmal in der „Literaturlandschaft Österreich“: „Sein Anspruch als Künstler ist stets der höchste, und er wird ihm in glänzender Weise in jedem einzelnen Werk gerecht.“ Hamburgs Kultursenatorin und Rühm-Fan Christina Weiss (22 „Yahoo“-Fundstellen) schrieb an gleicher Stelle: „Der Künstler Gerhard Rühm beweist mit seinem Werk, wie lustvoll es sein kann, gegen die Gleichgültigkeit des alltäglichen Sprachgebrauchs vorzugehen.“

Bei Rühm, der 1930 in Wien geboren ist und in den 50er Jahren die neodadaistische „Wiener Gruppe“ mitgründete, klingt das so: „Was ist die Mode? Eine Methode? Eine Episode? Oder eine hängende Hode? ... Bis zum Tode!“ Oder so: „Traurig steigt der Lift empor, traurig sinkt er nieder.“ Oder so: „Saßen in Saucen, grasen im Großen, rasen in Rosen, blasen mit bloßen Nasen, vergaßen zu kosen die Hasen in Hosen.“ Also jandlt Gerhard Rühm, der sich gern in dichterische Grenzbereiche vorwagt und mit Photomontagen und Zeichnungen interdisziplinär arbeitet. Denn er ist ein Schelm unter den Wortdeklinierern und Sprachklangkonjugierern. Leider aber ist Cornelia Kempers (drei Fundstellen), die den Abend mit Gerhard-Rühm-Chansons und Prosaminiaturen im Brauhauskeller zusammenstellte und präsentiert, nicht die schelmischste unter den SchauspielerInnen.

Grell geschminkt und auch ansonsten etwas abgerissen, bahnt sie sich den Weg zur Bühne des Brauhauskellers, den Sonja Welp (null Fundstellen) hübsch und komisch mit Waidmannsutensilien eingerichtet hat. Hübsch und komisch ist auch die erste Nummer, die nur aus Grunz-, Mmmm- und allerlei anderen Geräuschen besteht. Eigentlich ganz hübsch und komisch ist auch das ganze eineinhalbstündige, von kleinen Perversionen und großen Sodomisten erzählende Programm, das Cornelia Kempers unter musikalischer Begleitung des Pianisten Marc Lüdicke (zwei Fundstellen) vorträgt. Doch bis auf wenige szenische Einfälle, zu denen auch Theaterintendant Klaus Pierwoß (zwei Fundstellen) in bislang ungewohnter Rolle („Schlag mich, schlag mich“) aus dem Off beiträgt, vertraut Kempers vor allem auf den Sprachwitz in Rühms Texten. Doch in dieser Präsentation wird deutlich, daß Rühm sich vor allem in seinen hier ausgewählten Chansons kaum weiter vorwagt, als es die Friedrich Hollaenders (43 Fundstellen) und Mascha Kalekos (acht Fundstellen) in den 20er Jahren schon getan haben.

Christoph Köster

Am 19., 26. und 30. September um 20.30 Uhr im Brauhauskeller