„Bei uns könnte Clinton die Sendung verhindern“

■ Der Medienrechtsexperte Georgios Gounalakis über die Globalisierung des Persönlichkeitsrechts und die Frage, wo das öffentliche Interesse bei Prominenten beginnt und wo es aufhört

Georgios Gounalakis ist Professor für Medienrecht an der Universität Marburg.

taz: Hätten die Anwälte von Bill Clinton die Ausstrahlung der Verhörvideos in Deutschland verhindern können?

Georgios Gounalakis: Das ist durchaus denkbar. Da der Fall in den USA seinen Ursprung hat, gilt zwar zunächst einmal das amerikanische Recht. Vorausgesetzt, es würde deutsches Recht Anwendung finden, könnte Clinton wohl in der Tat gegen die Ausstrahlung vorgehen. Denn im deutschen Recht gelten, anders als im amerikanischen, auch für Veröffentlichungen über sogenannte absolute Personen der Zeitgeschichte strenge Maßstäbe. Grundsätzlich dürfen Details aus dem Intimbereich nicht veröffentlicht werden. Im deutschen Recht mißt man dem Schutz der Persönlichkeit eine hohe Bedeutung zu. Im US-Recht dagegen liegt der Schwerpunkt auf der freien Berichterstattung, sofern Personen des öffentlichen Lebens betroffen sind, die sogenannten public figures.

Läßt sich die Betonung des Persönlichkeitsschutzes überhaupt noch aufrechterhalten, wenn Medien global agieren und Informationen wie über Clinton weltweit abgerufen werden können?

Bislang kann man nur danach fragen, in welchem Land das Persönlichkeitsrecht verletzt wurde und welches Recht dort gilt. Ein einheitlicher Sachverhalt kann also je nach „Tatort“ zu unterschiedlicher Bewertung führen.

Aber wird aus der Entwicklung, daß man jederzeit jede Information an jedem Ort der Welt in die Informationskanäle einspeisen kann, nicht zwangsläufig folgen, daß sich der Schutz des Persönlichkeitsrechts immer auf dem niedrigsten Standard einpendeln wird – in diesem Fall dem der USA?

Das nationale Recht kann durchaus bestimmte Hemmbarrieren entwickeln. Es bleibt nämlich vorerst die Frage, ob es zulässig ist, eine Information in dem jeweiligen Land auch zu verbreiten. Da gibt es beispielsweise das Vorgehen der Münchener Justiz gegen den Ex- Geschäftsführer des Internetproviders CompuServe, der für die Verbreitung pornographischer Inhalte im Internet verantwortlich gemacht wurde. Man versucht nun, das Problem der Globalisierung der Medien durch internationale Abkommen zu lösen. Da einigt man sich in der Tat immer auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. In bezug auf den Persönlichkeitsschutz gibt es allerdings noch keine konkreten Abkommen.

Wer legt fest, wer auf welche Informationen ein Recht hat?

Das ist ein generelles Rechtsproblem, weil man das nicht vorweg im Gesetz festschreiben kann – bei uns wird es jeweils von den Gerichten festgelegt. Beispielsweise hat das Bundesverfassungsgericht im Urteil über Günter Wallraffs Veröffentlichungen aus der Redaktion der Bild-Zeitung entschieden, daß die Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Information erlaubt ist, wenn sie von besonderem öffentlichen Interesse ist – insbesondere, wenn Mißstände aufgedeckt werden. So braucht man bei uns immer eine Begründung für das öffentliche Interesse. Interview: Lutz Meier