Eine Schneise gegen den Borkenkäfer

■ Am Rand vom Nationalpark Bayerischer Wald wird wieder geholzt

Passau (taz) – So richtig gemocht haben sie ihren Nachbarn noch nie. Und daran gewöhnen, daß in diesem Wald „einfach keiner aufräumt“, konnten sich die Waldbauern rund um den Nationalpark Bayerischer Wald auch nicht. Das Experiment Urwald hat sich als „Katastrophe für unsere Waldheimat“ erwiesen, wie Erhardt Engelstädter von der Bürgerbewegung zum Schutz des Bayerischen Waldes meint. Die Privatwaldbesitzer sehen den Nationalpark mit seiner „Die Natur Natur sein lassen“-Philosophie als eine einzige gigantische Brutstätte des Borkenkäfers. Von hier fresse sich das Tier hinaus in die Wälder der Holzbauern, vernichte, was Generationen aufgebaut und gepflegt hätten.

Wenn jetzt erstmals in der Geschichte des Nationalparks Bayerischer Wald großflächige Abholzungen von Schadholz und sogar Wiederaufforstung betrieben werden und die Parkverwaltung 23.000 Festmeter Holz aus dem eigentlich sich selbst überlassenen Gebiet gewinnt, dann ist das für die Parkverwaltung eine Kehrtwende. Für die Waldbauern bedeutet es dagegen die Einlösung des Versprechens von Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber, etwas gegen den Borkenkäfer zu tun. Mit Plakaten wie „Erst ist der Wald tot, dann der Waldler“ machten sie bei Besuchen Stoibers und seines Forstministers Reinhold Bocklet Druck – Druck aus einer Region, die zum treuesten CSU-Gebiet Bayerns zählt.

Im Wahljahr 1998 wird im Nationalpark in einem 500 Meter breitem Streifen entlang der Grenze zu den Privatwäldern Borkenkäferbekämpfung betrieben. Ganz klassisch: befallene Bäume raus, die Äste sofort verbrennen.

Henriette Braumandl, Privatwaldbesitzerin und „von 24.300 Hektar borkenkäferzerfressenem Nationalpark umzingelt“, ist das nicht genug. Sie zog im Juni als Jeanne d'Arc der Nationalparkgegner publikumswirksam vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, um die Nationalparkverordnung zu kippen. Weil sich der Käfer um den 500-Meter-Streifen herzlich wenig schere, sei ihr Privatwald in Lebensgefahr. Deftige Töne gab es da im Gerichtssaal zu hören. Der Münchner Staatsregierung gehe es um „Zerstörung als Programm“. In „unerträglich arroganter Weise“ würde der Waldler von der Parkverwaltung bevormundet. Die Klage wurde abgelehnt. Aber wenn die Nationalparkverwaltung jetzt befallene Bäume per Hubschrauber für 6.000 Mark die Flugstunde aus unzugänglichen Regionen ausfliegen läßt, dann alarmiert das die Naturschützer. Für sie ist klar: Die reine Lehre vom Nationalpark, der den Menschen aus dem Wald verbannt, ist das nicht mehr.

Doch die Diskussion um die Käferbekämpfung hat sich in den letzten Wochen spürbar versachlicht. Tschechische Satellitenaufnahmen des Grenzgebietes von 1984 bis 1996 beweisen eine erhebliche Ausweitung der Totholzflächen: Ein ähnliches Baumsterben hat es im Bayerischen Wald also auch schon früher gegeben. Trotzdem herrscht Todesstimmung in den Hochlagen des Nationalparks; 2.500 Hektar Wald gelten bereits als vernichtet. Werner Windpassinger