Wagenburg gegen Wettbewerb mit den Giganten

■ Deutschlands Verkehrsbetriebe wehren sich mit Tricks gegen den Zwang, ab 1999 ihre Nahverkehrsleistungen europaweit auszuschreiben. Die Konkurrenz lauert schon

Hamburg (taz) – Öffentlicher Nahverkehr ist ein Geschäft, bei dem man nur Miese machen kann? Ein Irrtum. Seit knapp drei Jahren läuft im deutschen ÖPNV-Markt ein ganz neues Spiel. Am 1.Januar 1996 setzten Bund und Länder nämlich eine EU-Richtlinie in deutsches Recht um. Seither ist der früher tatsächlich defizitäre Nahverkehr für die Verkehrsunternehmen ein einträgliches Geschäft. Seit damals müssen die öffentlichen Hände nämlich die Nahverkehrsleistungen bei den Verkehrsunternehmen einkaufen. Bislang hat besonders die Deutsche Bahn AG von dieser Richtlinie profitiert. Wollte sie noch vor 1996 den Nahverkehr am liebsten loswerden, so hat sie sich jetzt in ihre Nahverkehrstöchter regelrecht verkrallt. Daimler-Benz beispielsweise, das Interesse an der Übernahme der Berliner S-Bahn zeigte, wurde mit der Drohung, die Bahn werde keine Züge mehr bei den Bahntechniksparten des Konzerns kaufen, von der Abgabe eines Angebots abgehalten. Weniger Mühe hatten bislang die kommunalen Verkehrsbetriebe: Übergangsfristen und freundliche Stadtväter verhinderten, daß mögliche Wettbewerber gefährlich werden. Ab 1. Januar 1999 ist das anders: Dann müssen, die EU-Rechtslage läßt hier eigentlich keinen Spielraum, alle Nahverkehrsleistungen europaweit ausgeschreiben werden. Mächtige und kostengünstige Global player des Nahverkehrs stehen damit vor der Tür: Stage Coach beispielsweise, der britische Weltmarktführer im Busverkehr, oder die schwedische Linjebus. Die Schlacht um den ÖPNV-Markt ist in vielen europäischen Staaten längst in vollem Gange. So kontrolliert Linjebus beispielsweise bereits mehr als 30 Prozent des Busverkehrs in Flandern. Mit Tricks und Rechtsdehnungen versuchen sich deutsche Kommunen und Verkehrsbetriebe derzeit um diesen Wettbewerbszwang herumzumogeln. Ausschreibungen werden einfach nicht vorgenommen (so etwa beim Hamburger Verkehrsverbund) oder ganz gezielt für fremde Wettbewerber möglichst unattraktiv gestaltet. Die neue Holding von Berlin und DB verfolgt, so munkelt die deutsche Nahverkehrsszene, vor allem einen Zweck: Sie soll Wagenburg gegen den Wettbewerb sein. Florian Marten