Durchsichtige Geschäfte

■ Die Weleda AG will ihr Neubauprogramm mit einem Kapitalfonds finanzieren

Am Beginn stand ein undichtes Dach. In den Veranstaltungssaal des Verwaltungsgebäudes der Weleda AG in Schwäbisch Gmünd regnete es munter hinein, die erforderlichen Sanierungsarbeiten wurden durch Platzmangel enorm erschwert. So entstanden vor sieben Jahren die ersten Pläne für einen Neubau.

Mittlerweile ist daraus der umfangreichste Investitionsplan in der Geschichte des 1920 gegründeten Herstellers anthroposophischer Heil- und Pflegemittel geworden. Rund 50 Millionen Mark will das Unternehmen in den nächsten Jahren verbauen: Bereits im Gang sind Neu- und Umbau im Bereich Arzneimittelproduktion für zirka 7 Millionen Mark, und noch in diesem Herbst soll die Errichtung eines neuen Verwaltungsgebäudes (für rund 15 Millionen Mark) beginnen. In zwei Jahren will die Weleda ihre Körperpflegemittelproduktion für 18 Millionen Mark mit einer neuen Unterkunft ausstatten, und im Herbst 2003 schließen voraussichtlich 8,3 Millionen Mark teure Baumaßnahmen für den Bereich Pflanzen- und Mineralienverarbeitung das Projekt ab.

Das ist ein ansehnlicher Batzen Geld, auch für ein Unternehmen, dessen Umsatzsteigerungen in den letzten Jahren über dem Branchendurchschnitt lagen und das – formal nur eine Niederlassung des Stammhauses im schweizerischen Arlesheim – mit einem Anteil von rund 60 Prozent an der Gesamtbilanz das mit Abstand stärkste Glied in der 31 Länder umfassenden Kette von Dependancen darstellt. Und deshalb begannen die Weleda-Manager schon frühzeitig, sich nach einem Partner für die Finanzierung ihrer Vorhaben umzusehen. Bereits 1994 stießen sie dabei auf die GLS-Gemeinschaftsbank.

Das 1974 gegründete Institut, eine nicht gewinnorientierte Einrichtung mit Sitz in Bochum, hat sich über die Jahre einen festen Ruf in Sachen „ethisches Investment“ erworben, etwa bei der Finanzierung regenerativer Energien. Für Weleda ein optimaler Partner, denn auch in Schwäbisch Gmünd ist man sehr auf politisch korrekte Unternehmensführung bedacht und demonstriert diesen Anspruch mit einigem Selbstbewußtsein.

Das Ergebnis der gemeinsamen Überlegungen wurde in der vergangenen Woche der Öffentlichkeit präsentiert: der GLS-Weleda- Fonds. Zehn Millionen Mark will die Bank einsammeln (bei Mindestzeichnungen ab 1.000 Mark) und Weleda für ihre Vorhaben zur Verfügung stellen. Hinsichtlich der prognostizierten Erträge von 3,5 Prozent für 1999 bis zu 5,8 Prozent im Jahr 2001 und der sonstigen Bedingungen bewegt sich das Angebot in einem zwar attraktiven, aber keineswegs aufsehenerregenden Rahmen.

Von ähnlich gelagerten Geschäften wollen sich Weleda und GLS indes in einem Punkt deutlich unterscheiden: Für ebenso wichtig wie die Kapital-Akquise erklären sie das Angebot zum Dialog. Die Verwendung des geliehenen Geldes ist vertraglich zweckgebunden, den Beteiligten wird genaue Kontrolle darüber zugesagt, was mit ihrem Geld geschieht.

Jeder Fondszeichner erhält nicht nur einen jährlichen Bericht über die Fortschritte der Bauvorhaben und die allgemeine Unternehmensentwicklung, sondern auch die Einladung zu Fondsversammlungen. Diese Treffen, so versprechen die Fondsverwalter, sollen nicht die üblichen Stellvertreterveranstaltungen sein, sondern allen Interessierten tatsächlich Gelegenheit bieten, „ihr“ Unternehmen kennenzulernen. Die Weleda-Nachrichten, mit rund 500.000 Exemplaren eine der auflagenstärksten Firmenzeitungen Deutschlands, informieren in ihrer jüngsten Ausgabe bereits ausführlich über Bedingungen, Sinn und Zweck der Anlage.

Der alten Volksweisheit, wonach bei Finanzgeschäften die Freundschaft aufhört, setzt Rudolf Frisch, Mitglied der Weleda-Geschäftsleitung, im Interview mit seiner Hauszeitung denn auch hoffnungsvoll die These entgegen, Geld sei „in seinem Kern ja ein Mittel, um die Beziehungen zwischen Menschen zu gestalten“. Bleibt zu hoffen, daß dem Unternehmen und seinen künftigen Teilhabern Beziehungskrisen erspart bleiben. Jochen Siemer