Schlappe für Merkel in Morsleben

Oberverwaltungsgericht verbietet einstweilig, weiteren Atommüll im Ostfeld Morslebens zu versenken. Seine Begründung läuft auf rasches Ende des Lagers hinaus  ■ Von Jürgen Voges

Hannover (taz) – In ihrem Kampf gegen das nasse Atommüllendlager Morsleben haben die Umweltorganisationen BUND und Greenpeace vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) einen überraschenden Erfolg erzielt. In einer Eilentscheidung verhängte das Gericht für das Ostfeld des einzigen bundesdeutschen Endlagers gestern einen Einlagerungsstopp. In den östlichen Teil des ehemaligen Salzbergwerkes dürfe Atommüll „nur nach vorheriger Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens“ eingelagert werden, begründete das OVG seine Entscheidung. Damit gab es einem Eilantrag von BUND und Greenpeace aus dem November vergangenen Jahres zu großen Teilen statt.

Nun kommt Umweltministerin Angela Merkel (CDU) in große Probleme, denn das gesamte Endlager ist nach bundesdeutschem Recht nicht genehmigungsfähig und wird bisher auf Grundlage einer Genehmigung aus DDR-Zeiten betrieben. Auch die Endlagererweiterung auf das Ostfeld wollte sie ohne ein bundesdeutsches Verfahren durchziehen.

Zumindest ebenso wie über den Einlagerungsstopp haben sich BUND und Greenpeace gestern denn auch über die Rechtsauffassung gefreut, die die Oberverwaltungsrichter ihrer Entscheidung zugrunde legten. Ein kurz vor dem Ende der DDR im Jahre 1989 erstellter Sicherheitsbericht über den weiteren Ausbau des Endlagers sei „nicht Bestandteil der Dauerbetriebsgenehmigung geworden“, urteilten die Magdeburger Richter. Maßgeblich sei weiterhin die schon im Jahr 1986 erteilte Morslebengenehmigung, die auf einem Sicherheitsbericht von 1984 fuße. Diese alte Genehmigung legte allerdings Obergrenzen für die Menge des eingelagerten Mülls fest, die schon längst überschritten sind. Die nach der Gerichtsentscheidung bis heute maßgebliche Genehmigung aus dem Jahre 1986 erlaubte nur die Einlagerung von 26.700 Kubikmeter Atommüll. Bis heute sind in dem ehemaligen Salzbergwerk allerdings 35.000 Kubikmeter eingelagert worden.

„Die Gerichtsentscheidung bestätigt unsere Auffassung, daß die Bundesregierung in Morsleben ein illegales Atommüllendlager betreibt“, erklärten BUND und Greenpeace. Falls Merkel jetzt die Einlagerung nicht gänzlich stoppt, wollen die Umweltorganisationen Eilanträge für den Rest des Lagers stellen.

Bestätigt durch das gestrige Urteil sahen sich auch die Landesregierung und die Grünen in Sachsen-Anhalt, die immer die Ansicht vertreten hatten, daß der von einem vielfach höheren Einlagerungsvolumen ausgehende Morsleben-Sicherheitsbericht des Jahres 1989 nie Bestandteil der Genehmigung geworden ist. 1996 erließ das damals noch von den Grünen geleitete Umweltministerium des Landes eine Stillegungsverfügung für Morsleben, die sich genau auf die vom OVG jetzt bestätigte Rechtsauffassung stützte.

Das Bundesumweltministerium reagierte damals mit einer bundesaufsichtlichen Weisung, die den Morsleben-Sicherheitsbericht des Jahres 1989 zum rechtsgültigen Bestandteil der Genehmigung erklärte. Die Sprecherin von Angela Merkel erklärte gestern, man hoffe jetzt „auf das Hauptsacheverfahren und die nächste Instanz“. Bis zur Entscheidung in der Hauptsache sei ein eingeschränkter Weiterbetrieb des Endlagers möglich.