Hamburg noch rot-grüner

SPD und Grüne schneiden in Hamburg mit sensationellen 56,6 Prozent ab. Sozis gewinnen alle sieben Direktmandate  ■ Von Judith Weber und Silke Mertins

„Bonn ist schuld“, lautete in den vergangenen Jahren die immer gleiche Leier der Hamburger Sozis – auch wenn es um Hamburger Probleme ging. „Dabei können Sie in den nächsten vier Jahren ruhig bleiben“, feixte gestern abend Oppositionsführer und CDU-Fraktionschef Ole von Beust gegenüber einigen SPDlern. Er präsentierte sich als guter Verlierer und gratulierte den SozialdemokratInnen artig. Dirk Fischer, Hamburgs CDU-Chef, nahm's indes weniger humorvoll: „Bitter enttäuscht“ sei er. Denn zu allem Überfluß hat er sein Direktmandat in Nord an die SPD-Herausforderin Anke Hartnagel verloren. Statt dessen wird er über die Landesliste ins Parlament einziehen.

„Das Ergebnis für die SPD ist sehr, sehr schön“, strahlte der Erste Bürgermeister Ortwin Runde (SPD). Seine Partei hat alle sieben Direktmandate gewonnen; in vier Wahlkreisen kam sie über 50 Prozent. Damit ist der ehemalige Reemtsma-Chef Ludger Staby, auf den die CDU große Hoffnungen gesetzt hatte, rausgeflogen. Er wolle nun statt Politik ein Seniorenstudium beginnen, ließ er verlauten.

Nach den Hochrechnungen entschieden sich 45,9 Prozent (1994: 39,7) für die SPD. Die CDU sackte auf 29,8 Prozent ab (43,9). Auch die GAL mußte Verluste einstecken. Sie kam auf 10,7 Prozent (12,6). Die FDP landete bei 6,4 (7,2) und dürfte damit zufrieden sein. Die PDS erreichte in Hamburg 2,3 Prozent (2,2). Damit liegt die Hansestadt auf einer Linie mit dem Rest der Republik. Die Ergebnisse für SPD und GAL sind gestern in Hamburg mit 56,6 Prozent üppiger ausgefallen als bei der Bürgerschaftswahl 1997 (50,1).

Erleichterung dürften die HamburgerInnen – rund 80 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab – bei dem Abschneiden der Rechten verspüren: Nachdem die DVU bei der Bürgerschaftswahl 1997 mit 4,97 Prozent knapp am Einzug ins Parlament vorbeigeschlittert war, lag sie gestern bei „nur“ 2,3 Prozent.

Auch wenn der grüne Umweltsenator Alexander Porschke sich für seine Partei „mehr gewünscht“ hätte: „Ein zweistelliges Ergebnis in Hamburg ist sehr beachtlich“, sagte die Zweite Bürgermeisterin Krista Sager (GAL). Das Bundesergebnis sei nicht zuletzt ein Verdienst des hanseatischen Regierungsbündnisses: „Wir haben bewiesen, daß wir auch unter schwierigen Umständen zusammenarbeiten können.“ Sie selbst wolle auch bei einer möglichen grünen Regierungsbeteiligung in Hamburg bleiben, „daran gibt es nichts zu deuteln“.

Anders als Sager mochte CDU-Chef Ole von Beust der hanseatischen Politik keinen Einfluß auf das Wählerverhalten zuerkennen. „Ich fühle mich in meiner Arbeit nicht beeinträchtigt“, erklärte er. Dennoch müsse seine Partei aufpassen, „daß uns der Laden nach dieser derben Niederlage nicht auseinanderknallt. Denn die Enttäuschung ist riesig“. Aber, gab sich von Beust gelassen, „das ist Demokratie, und die müssen wir akzeptieren.“

Hauptsache, auch PDS und FDP sind im Bundestag vertreten, verkündete die Anarchistische Pogo-Partei (APPD): „Wir finden das geil, wenn viele Parteien drin sind. Dann ist das lustiger.“

Zu den Volksentscheiden in Hamburg lagen bis 21 Uhr noch keine Ergebnisse vor.