Auch bei der SPD kommt es auf die Mischung an

Wer kommt ins Kabinett? Für die Genossen gilt dieser Tage die Regel: Ruhe bewahren und Michael Müller meiden  ■ Aus Bonn Markus Franz

Man stelle sich vor: Joschka Fischer Außenminister. Otto Schily Innenminister. Günter Verheugen Verteidigungsminister. In Planspielen zur Kabinettsbesetzung tauchen diese drei auf. Aber geht das tatsächlich? Der Grüne, der ehemalige Grüne und RAF-Anwalt und der ehemalige Bundesgeschäftsführer der FDP als Minister in drei der wichtigsten Ressorts? Unwahrscheinlich, denn auf die richtige Mischung kommt es an, sagen führende SPD-Politiker. Es müssen genügend Frauen, Ostdeutsche, Mitglieder der Fraktion und Seiteneinsteiger berücksichtigt werden. Und als wenn das nicht schon problematisch genug wäre, gibt es noch besondere Ansprüche und persönliche Empfindlichkeiten.

Eine Kabinettsliste der Süddeutschen Zeitung scheint an sich ganz realistisch zu sein. Aber es kommen nur zwei Frauen drin vor, die Berliner Senatorin für Arbeit und Soziales, Christine Bergmann, und die Grüne Renate Künast. Abwegig. Allerdings könnte die bisher offiziell für das Justizministerium vorgesehene Hertha Däubler-Gmelin Bundestagspräsidentin werden. Das zählt so gut wie. Aber würden sich die Frauen mit drei herausgehobenen Ämtern wirklich zufrieden geben?

Eigentlich ist da ja noch Edelgard Bulmahn. Schröder hat sie an sich als Ministerin für Bildung, Technologie und Forschung eingeplant. Sie erfüllt eine dreifache Quote: Frau, Fraktionsmitglied und Linke. Prima. Das einzige Problem ist: Niemand will sie so recht. Schröder hat Bulmahn am Montag in der Vorstandssitzung angefaucht, weil sie zusammen mit seinem Intimfeind, dem Umweltexperten Michael Müller, gemeinsam ein Konzept geschrieben hat. Das ist zwar in der Sache harmlos, wie auch Schröder einräumte. Aber es kommt eben nicht nur auf Proporz an, sondern auch auf die persönlichen Vorlieben des Chefs. Und der mag es nun mal nicht, wenn man sich mit dem Müller zusammentut.

Vielleicht brauchte Schröder ja auch nur einen Vorwand? Edelgard Bulmahn ist ihm sowieso von Parteichef Oskar Lafontaine aufgedrückt worden. Schließlich muß ja – Rücksichten hin, Rücksichten her – vor allem Schröder mit seiner Ministerriege leben können. Deshalb kann der stellvertretende Parteivorsitzende Wolfgang Thierse auch nicht Ostbeauftragter mit Ministerrang werden. Thierse hatte kurz vor der Kandidatenkür zusammen mit Müller ein Papier geschrieben. Und überhaupt ist der eher introvertierte Thierse nicht Schröders Typ. Also Rolf Schwanitz. Auch Ostdeutscher, auch Fraktionsmitglied und auf dem Ticket der SPD-Rechten. Thierse kann ja stellvertretender Bundestagspräsident werden.

Damit wären mit Christine Bergmann, Rolf Schwanitz und Wolfgang Thierse drei Ostdeutsche gut versorgt. Das kommt hin. Andererseits möchte Thierse sich nicht mit dem Stellvertreterposten begnügen. Und der konservative Seeheimer-Kreis unterstützt ihn darin. Muß Hertha Däubler-Gmelin also doch Justizministerin werden? Gesetzt für Bonn sind die drei Lieblingsprojekte Schröders, die Quereinsteiger Walter Riester als Arbeitsminister, Michael Naumann als Staatsminister für Kultur und Jost Stollmann, der ursprünglich Wirtschaftsminister werden sollte, sich nun aber möglicherweise mit einem Technologie-und Zukunfts-Ministerium bescheiden muß. Schließlich ist es vielen Genossen nicht geheuer, daß ein Mann, der das Sozialversicherungssystem als „Gefängnis“ bezeichnet, nichts von Betriebsräten hält und Subventionen abbauen will, ausgerechnet Wirtschaftsminister der SPD werden soll. Zukunft und Bildung sind ein guter Kompromiß. Ein Grund mehr, warum die ungeliebte Edelgard Bulmahn Platz machen muß.

Oskar Lafontaine, das gilt inzwischen als so gut wie sicher, wird nun doch Finanzminister. Der verdiente Parteichef durfte sich sein Amt aussuchen – bis auf das des Kanzlers. Deshalb darf Rudolf Scharping auch weiter Vorsitzender der Bundestagsfraktion bleiben.

Der Nachteil: Es muß jemand anderes für das Amt des Verteidigungsministers gefunden werden. Ein Grüner kommt dafür nicht in Frage. Also Günther Verheugen? Aber das ist wie gesagt problematisch. Auf Otto Schily will Schröder angeblich nicht verzichten. Er habe ihm sein Wort gegeben. Und Joscka Fischer wird das Amt des Außenministers kaum zu nehmen sein. Viele Sozialdemokraten sind zwar strikt dagegen, aber schließlich müssen die Grünen auch zu ihrem Recht kommen. Es wird also wohl nichts mit Verheugen. Oder doch nicht mit Schily? Oder gar mit Fischer? Schließlich kommt es vor allem auf die Mischung an.