Drei Säulen für die Pensionäre in der Schweiz

■ Umlagefinanzierung scheitert an Alterspyramide. Energiesteuer zur Absicherung gefordert

Basel (taz) – Die wichtigste Schweizer Errungenschaft dieses Jahrhunderts ist für die EidgenossInnen selbst nicht etwa die Einführung des Frauenstimmrechts im innerschweizerischen Appenzell. Eine repräsentative Umfrage ergab, daß der Stolz der HelvetierInnen ihrem Rentensystem gilt.

Das eidgenössische Altersversorgungssystem besteht aus drei Säulen, die eine weitgehende finanzielle Unabhängigkeit im Ruhestand garantieren sollen. Das Konzept wurde 1972 in der Bundesverfassung verankert, die eigentliche Rentenversicherung (AHV) besteht jedoch bereits seit fünfzig Jahren.

Während die obligatorischen Altersversicherungen AHV und IV (Invalidenversicherung) als erste Säule die Existenzsicherung garantieren, setzt sich die zweite aus der beruflichen Altersvorsorge zusammen. Die dritte Säule ist freiwillig und besteht aus dem unterschiedlich dicken, steuerlich begünstigten privaten Sparstrumpf.

Die berufliche Vorsorge ist für ArbeitnehmerInnen obligatorisch. Die AHV und die Pensionskasse sollen zusammen auf rund 60 Prozent des Bruttoeinkommens kommen, deshalb sind die beiden Säulen miteinander koordiniert: Die Berufsvorsorge, finanziert durch Lohnprozente von ArbeitnehmerInnen und -geberInnen, erhalten jene, die über ein Einkommen verfügen, das mindestens doppelt so hoch ist wie die AHV-Minimalrente von 995 Franken pro Monat. Bei niedrigeren Einkommen wird der Rentenanspruch vollständig durch die erste Säule abgedeckt.

Aufgrund der Alterspyramide gibt es bei der Gesamtfinanzierung des Systems Schwierigkeiten. So streiten sich die Parteien über den Zeitpunkt der ersten Rentenzahlung und Ergänzungsleistungen. Seit ihrer Gründung ist die AHV zehnmal revidiert worden, die elfte Novelle ist in Vorbereitung.

Im Unterschied zur beruflichen Vorsorge sind mit der AHV nicht nur ArbeitnehmerInnen, sondern auch Selbständige und Nichterwerbstätige versichert. Finanziert wird sie von den Versicherten, der Wirtschaft und dem Staat, der für rund ein Fünftel der Ausgaben aufkommt. ArbeitnehmerInnen und -geberInnen zahlen monatlich je 4,2 Prozent des Bruttolohns in die AHV-Kasse. Nicht Erwerbstätige entrichten einen Jahresbeitrag entsprechend ihren finanziellen Möglichkeiten. Die volle Rente – Anspruch darauf haben Frauen ab dem 62. und Männer ab dem 65. Lebensjahr – erreichen AHV-BezieherInnen nur, wenn sie 40 (Männer) beziehungsweise 37 (Frauen) Jahre lang Beiträge gezahlt haben.

In der letzten Revision, die seit eineinhalb Jahren in Kraft ist, wurde die schrittweise Erhöhung des Rentenalters für Frauen von 62 auf 64 Jahren beschlossen. Dafür verwirklichte sie beispielsweise den selbständigen Rentenanspruch der Ehefrau, gleiche Renten während der Ehe dank Einkommenssplitting oder Erziehungs- und Betreuungsgutschriften.

Die AHV funktioniert nach dem Prinzip einer Waage: Aus der linken Schale zahlt sie den RentnerInnen aus, was jährlich vom arbeitenden Teil der Bevölkerung in die rechte Schale fließt. Aus diesem Grund belastet eine starke Zunahme der Rentenberechtigten das finanzielle Gleichgewicht des Sozialwerks. Bröckelt die Alterspyramide weiter ab, ist die Zukunft der AHV ohne zusätzliche finanzielle Maßnahmen nicht gesichert. Deshalb hat das Schweizer Volk bereits vor fünf Jahren ein zusätzliches Mehrwertsteuerprozent für die AHV/IV reserviert.

Das Loch in der Kasse ist damit aber noch nicht gestopft. Während konservative Parteien deshalb mit einer weiteren Erhöhung des Rentenalters liebäugeln, schlägt die Grüne Partei einen anderen Weg vor: Sie hat 1996 eine Volksinitiative eingereicht, die die Einführung einer Energiesteuer fordert. Der Erlös aus dieser Steuer soll zur teilweisen oder vollständigen Finanzierung der Sozialversicherungen dienen. Besteuert würden nicht erneuerbare Energieträger und Strom aus Wasserkraftwerken mit mehr als einem Megawatt Leistung. Die Initiative wird voraussichtlich im Jahr 2001 zur Abstimmung kommen. Der Bundesrat lehnt den grünen Vorschlag ab. Er will eine Energiesteuer, die die zukünftigen AHV-Kosten nur zu einem kleinen Teil abdeckt. Die Restkosten würden über zusätzliche Lohnprozente und Mehrtwertsteuern finanziert. Paula Carega