Offenes Herz für muffige Nordmänner

■ Die Kabarettistin Francesca De Martin zeigt ein neues Programm namens „Guckt ja keiner!“ / Ein Portrait pünktlich zur Bremer Premiere

Wenn sich Francesca De Martin das Publikum zur Brust nimmt, wird sie intim: Busenshow coram publico! „Grandissimo“, mag da der Toskanadeutsche denken, stammt die Kabarettistin doch aus dem Land der Sophia Loren, Silvana Mangano und Cicciolina. Doch zu früh gefreut. Kein nacktes Dekolltée, sondern ein offenes Herz wird geboten, um das Gefälle deutsch-italienischer Befindlichkeiten zu illustrieren.

Die knackigen Hintern italienischer Sargträger noch im Kopf, kehrt Francesca zurück von der Beerdigung ihrer Oma und geht am geerbten Pizzastand in Deutschland auf Männersuche. Stets verfolgt vom italienischen Geist der Großmutter, der ihr in alles reinzuquatschen pflegt. Francesca schimpft zurück und versucht zwischen italienischer Sturheit und deutscher Muffigkeit, die Nordmänner scharf zu machen. Nix kapito bei den Karls und Jürgens – die sind langsam und kurzsichtig. Da muß Francesca schon „Pizza phrodisiaka“ servieren, um ihnen erotisches Gespür einzuverleiben. Den lahmen Germanen fehlt eben italienischer Benimm. Würden Männer hierzulande den „nonverbalen Gratulationsblick“ beherrschen, geschähe Wunderbares: Richtig hingucken, schon wachsen – „pfiumm-pömm“ – zwei Riesenbrüste, wie Francesca akkustisch ausmalt.

Bis sie am Ende das Glück mit einem potenten Superhirn findet, fegt das fulminante Energiebündel über die Bühne wie ein saloontürsprengender Sherrif, springt rasant zwischen sich selbst und dem imaginären Gegenüber hin und her, bewaffnet nur mit einem Barhocker. Ich bin eine Chauvinistin“ sagt die Schauspielerin, wohl wissend, wie begrenzt die Themen von Künstlerinnen auf komischen Gebiet sind. „Slapstick ist keine Frauendomäne“, weiß sie und sagt von ihrem Bühnencharakter: „Ich hab mich immer als zweigeschlechtliches Wesen betrachtet.“ Nach „Criminal bella“ und „Mystero buffo“, wo sie mal als mafiagelenkte Terroristin, mal mit blasphemischen Bibelwahrheiten à la Dario Fo in ihrer bewährten Mixtur aus pantomimischer Körperkunst und italo-deutschem Parlando begeisterte, wagt sie sich mit ihrem neuen Stück erstmals in ur-weibliche Gefilde.

Seit ihrem 15. Lebensjahr steht sie auf der Bühne, ging durch die harte Schule des Straßentheaters und war bis 1984 bei den Fliegenden Bauten (heute das Meerkabarett auf Sylt). Seit 1985 ist die Schauspielerin mit Soloprogrammen vom holsteinischen Lutterbeker übers Schmidt's Tivoli bis ins Mainzer Unterhaus unterwegs, im November erstmals in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft. „Über meine Techniken streitet man sich mittlerweile“, sagt sie: „Du hast ja viel Dario Fo drin, aber du machst jetzt kein Theater mehr, sondern Kabarett? Aber nicht politisch?“ wird sie gefragt. Schubladen kümmern sie wenig, nur der Begriff „Kleinkunst“ bringt sie in Rage. „Ich habe Kollegen auf Festivals gesehen, die waren so groß, daß mir der Atem wegblieb.“

Für die Regie von „Guckt ja keiner“ aktivierte sie eine Weggefährtin aus alten Sylter Tagen: Gerburg Jahnke von den Missfits, Expertin in (dramaturgischen) Frauenfragen. „Für mich ist Authentizität auf der Bühne wichtig“, sagt Francesca. „Ich sehe die Dinge natürlich als Italienerin, aber zum Teil auch als Deutsche, vor allem im Sprachwitz“.

Sie knöpft sich die deutsche Grammatik vor: Wie denn „Auseinandersetzung“ funktioniere oder warum „das Mädchen mit dem Busen“ schlecht zur Frau werden kann. Daß „keiner guckt“, hat die 38jährige Bremerin im deutschen Alltag vielfach beobachtet. Aber nicht nur der mangelhafte Männerblick ist Thema des neuen Programms, generell scheint es an Aufmerksamkeit im germanischen Miteinander zu fehlen. Es kränkt sie auch, wenn ihr die Bäckersfrau nicht in die Augen schaut, und das hat wenig mit Künstlereitelkeit und viel mit menschlichem Sendungsbewußtsein zu tun. Die Botschaft ist einfach: Ich bin nicht glücklich, wenn du mich nicht anschaust. Und die Männer? „Ich denke, daß sie Angst vor mir haben“. Almut Behl

Premiere am 23. Oktober im Jungen Theater, weitere Aufführungen: 24., 25., 27. und 28. Oktober jeweils um 20 Uhr