Schröder und Industrie beraten NS-Entschädigung

■ Zwangsarbeiter sollen rasch entschädigt werden

Hannover (taz) – Der künftige Bundeskanzler Gerhard Schröder und die Chefs von neun deutschen Großkonzernen haben sich gestern in Hannover zu einem ersten Gespräch über die Einrichtung eines Entschädigungsfonds für ehemalige NS-Zwangsarbeiter getroffen. Zu der Runde im Gästehaus der niedersächsischen Landesregierung hatten sich die Vorstandsvorsitzenden von der Allianz, BASF, BMW, Daimler-Benz, der Deutschen Bank, der Dresdner Bank, Siemens, Thyssen- Krupp, Degussa und Volkswagen angemeldet.

Schröder sagte im Anschluß, die Industrie und die neue Bundesregierung wollten das Entschädigungsproblem zügig lösen. Es sei vereinbart worden, eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des künftigen Kanzleramtschefs Bodo Hombach (SPD) einzusetzen. Ein Sprecher von Schröders Staatskanzlei hatte die illustre Runde schon vorab als „historisches Ereignis“ bezeichnet. Schröder sei bei dem Treffen, das am Nachmittag begann, „Gastgeber, aber nicht der Einladende“. Dem Vernehmen nach will Schröder die Industrieunternehmen dazu bewegen, Beträge in dreistelliger Millionenhöhe in den Fonds einzuzahlen. In der Tatsache, daß nicht er selbst zu dem Treffen eingeladen hat, drückt sich der Anspruch aus, einen in erster Linie von den Industrieunternehmen und nicht einen von der öffentlichen Hand getragenen Fonds ins Leben zu rufen.

Hintergrund des Gesprächs ist, „daß auch deutsche Firmen in den Vereinigten Staaten vor der Aussicht stehen, von ehemaligen NS-Zwangsarbeitern auf Entschädigung verklagt zu werden“, sagte gestern Schröders Regierungssprecher Michael Jürdens. Ort und Termin des Treffens versuchte die niedersächsische Landesregierung gestern vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Die Bemühungen um einen Entschädigungsfonds sollten nicht durch öffentlichen Druck gestört werden.

Dem Vernehmen nach hat das Gespräch der ehemalige CDU-Bundesschatzmeister Walther Leisler Kiep vermittelt, heute Vorsitzender des deutsch-amerikanischen Vereins Atlantik-Brücke und freiberuflicher Berater des Allianz-Konzerns. Leisler Kiep soll Schröder im Auftrag des Allianz- Konzerns schon am 3. Oktober auf die Errichtung eines Entschädigungsfonds angesprochen haben.

Der rechtspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Volker Beck, begrüßte gestern die Gespräche. Jürgen Voges Berichte Seite 2