Innenbehörde wittert „Kampagne“

■ Teilschließung des Hemelinger Sozialamtes am Donnerstag sei ein Ausnahmefall / Keine Angaben über Vermeidungsstrategien

Die Bremer Innenbehörde wittert „eine gezielte Kampagne“ gegen das eigene Haus: Das ist das Fazit einer schriftlichen Anfrage der taz zu den Vorfällen am Donnerstag in der Abteilung des Hemelinger Sozialamts am Rathausplatz, für die das Innenressort zuständig ist. Dort hatten nur ausgewählte SozialamtsbesucherInnen Zugang zu den SachbearbeiterInnen in den oberen Stockwerken bekommen, nachdem bereits am Montag nur ein „Notdienst“ stattgefunden hatte.

„Sowas wie Donnerstag hat es noch nie gegeben“, kommentiert Vera Schumann von der Beratungsstelle „Solidarische Hilfe“ kritisch. An sie hatten sich mehrere abgewiesene Ratsuchende gewendet, „darunter eine schwangere Frau, die für eine Wohnungszusage die Kostenübernahme der Miete klären wollte.“ Doch auch sie war am Schreibtisch eines Mitarbeiters, der am Treppenaufgang postiert war, nicht vorbeigekommen. „Nur wer nix mehr zu essen hat, kommt durch“, kursierte in der Schlange. Wenn dann vorne der Stimmungspegel und das Gedrängel zunahmen, hieß es: „Treten Sie zurück, sonst geht hier gar nichts mehr.“

„Die kriegen ihr Personalproblem nicht gelöst“, bilanziert Schumann. Erst kürzlich sei das Amt für eine Woche geschlossen gewesen. Ähnliches geschah im September, nachdem MitarbeiterInnen „körperlich und seelisch am Ende“, so damals der Personalrat, „reihenweise zusammengebrochen waren“. Die Teil-Schließung am Donnerstag begründete Personalrats-Chefin Elke-Marie Schütze auf Anfrage der taz mit akutem Personalmangel. Von 15 MitarbeiterInnenstellen seien nur fünf besetzt gewesen. Davon eine mit einer Halbtags- und eine mit einer Dreiviertelkraft. Seit Monaten fordere der Personalrat eine Verbesserung der Situation in der Abteilung „Wirtschaftliche Hilfen“ im Ortsamt. „Aber bisher hat sich nichts verändert.“ Daß die Innenbehörde für die dienstrechtlichen, d.h. auch personellen Angelegenheiten, die Sozialbehörde aber nur für fachliche Fragen zuständig sei, führe offenbar zum Stillstand. Nach wie vor gebe es bei Krankheiten keine ausreichende Vertretung; MitarbeiterInnen müßten im Schnitt mindestens 150 statt der vom Senat beschlossenen maximal 127 „Fälle“ bearbeiten. Wichtige Aufgaben kämen zu kurz: „Wir sollen auch Geld einnehmen, Kreditrückzahlungen vereinbaren und dergleichen. Dazu kommen wir nicht, Fristen verstreichen.“

Während Außenstehende die jüngsten Vorkommnisse ebenso wie relativ häufige „Notdienste“ als eine Folge von Fehlplanung werten, möchte sich dazu niemand aus der Innenbehörde in einem Interview äußern. Stattdessen erhält die taz eine Mitteilung, in der Sprecherin Anne Stoltenberg „mit ärgerlichem Gruß“ unter anderem die „Formulierung“ zurückweist, es habe sich „um Zoff, eine unerträgliche Situation oder eine inoffizielle Teilschließung“ gehandelt. Dagegen heißt es, zu der Situation sei es „auf Grund von unvorhersehbaren Personalausfällen“ gekommen. „Von 100 Vorsprechenden sind nachweislich 72 in vollem Umfang bearbeitet worden, ... lediglich 18 Fälle“ seien vertröstet worden. Die Frage nach künftigen Vorkehrungen der Innenbehörde, die sicherstellen sollen, daß Ratsuchende auch die ihnen nach § 8 Abs. 2 des Bundessozialhilfegesetzes zustehende Beratung erhalten können, wurde nicht beantwortet. ede