Oskar Lafontaine will die Zinsen senken. Doch die Bundesbank zeigt wenig Interesse am Begehren des Finanzministers. Der Zwist zwischen neuer Bundesregierung und altem Zentralbankrat ist da. Ist die Unabhängigkeit der Euro-Banker in Gefahr? Von Ulrike Fokken

Die Herren des Geldes sitzen am längeren Hebel

Geld verführt. Vor allem das Geld, das man nicht hat, verführt zu süßen Träumen. Was wäre wenn, was könnte man mit dem Geld nicht alles machen. Macht verführt auch. Und die Macht eines jeden Finanzministers hat ihn bislang dazu verführt, begehrlich auf das Geld der Bundesbank zu starren. Theo Waigel wollte an die Goldreserven, sein Nachfolger Oskar Lafontaine will an das Heiligtum, an die virtuelle Gesamtmenge des Geldes: Er will an die Zinsen.

Die Zinsen müssen runter, runter, runter. Keine Gelegenheit ließ Oskar Lafontaine nach der Wahl aus, um die Bundesbank nicht zu einer Zinssenkung aufzufordern. Der amerikanische Notenbankchef Alan Greenspan habe die Zinsen angesichts der Krisen in Rußland, Asien und Lateinamerika gesenkt, da könnten die Deutschen nicht hintenanstehen. Nachdem Lafontaine mitgeteilt worden war, daß die deutschen Leitzinsen mit 3,3 Prozent bereits niedrig sind, entschärfte er seine Forderung. Alle europäischen Staaten müßten ihre Zinsen senken.

Das ist richtig. Denn bis zum 31. Dezember müssen die elf Teilnehmerländer an der Europäischen Währungsunion einheitliche Zinssätze haben. Das Hochzinsland Spanien schraubte in den vergangenen Wochen runter, Italien zog Anfang der Woche mit einem ganzen Prozentpunkt nach. Damit hat Italien zwar den niedrigsten Zinssatz seit 1972, aber für den Euro muß das Land noch einmal einen Prozentpunkt heruntergehen. Die Euro-Länder werden sich nämlich dem Satz der sogenannten Zinskernländer Deutschland, Frankreich, den Benelux-Staaten und Österreich anpassen müssen und in einem einig Euro-Land wohl 3,3 Prozent Zinsen zahlen.

Diese Zahl hat jedenfalls Wim Duisenberg, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), als Marge angedeutet. Und Andeutungen von Zentralbankern kommen Festlegungen gleich. Wenn in der Silvesternacht die Menschen von Madrid bis Stockholm ihre Sektgläser heben, übernimmt Duisenberg die Geschicke der europäischen Geldpolitik. Die Finanzminister der Euro-Länder können dann bei ihm vorsprechen, doch beeinflussen können sie ihn ebensowenig wie Oskar Lafontaine den Bundesbank-Präsidenten Hans Tietmeyer. „Die EZB ist eine starke Institution, deswegen werden wir widerstehen können“, sagte Duisenberg kürzlich auf die Frage nach politischem Druck. Denn nicht nur Deutschland begehrt mehr Macht über die Geldpolitik, auch Frankreich und Italien wollen an der Unabhängigkeit der EZB kratzen.

Die jedoch ist in den Verträgen von Maastricht gesichert. Unabhängig und stark soll die Euro- Bank sein. Aber sie muß auch Rechenschaft über ihre Entscheidungen ablegen: Mindestens alle drei Monate muß sie Berichte über die untergeordneten Zentralbanken ablegen und dem Europäischen Parlament und der Kommission einmal jährlich berichten. Dieser Bericht wird auch dem Europäischen Rat – den Regierungschefs der EU-Länder – vorgelegt.

Die Beamten und Politiker in der EU-Kommission bleiben ob der Breitseiten des deutschen Finanzministers gelassen. „Neue politische Führer unterliegen gern der Versuchung, aktiver zu sein“, sagt ein Kommissionsbeamter. „Außerdem befinden wir uns in einer Zeit der Unsicherheit und sind starken Marktschwankungen ausgesetzt.“ Auch das verführt zu politischen Rundumschlägen. Aber einen konzertierten Willen, die Rechte und Pflichten der EZB zu ändern, können die Mitarbeiter von Finanzkommissar Yves-Thibault de Silguy nicht beobachten. „Die EZB steht felsenfest.“

Maastricht-Vertrag hin oder her – an den globalen Forderungen von Lafontaine ändert er nichts. Sein Staatssekretär Claus Noé heizte die Diskussion hierzulande noch einmal auf. In der Zeit forderte er, die „Politik mit dem Geld in den öffentlichen Raum der Bürger“ zu tragen. Ebenso wie der Haushalt im Parlament diskutiert werde, müsse die Bundesbank ihre Geldpolitik öffentlich vertreten. Das ist ein „Frontalangriff“ auf die Bundesbank und die EZB, erscholl es daraufhin aus der CDU/ CSU.

So haben alle Parteien ihren ersten Zankapfel. Die Bundesbank und die Landeszentralbanken ficht das nicht an. „Die Diskussion in der Geldpolitik ist so alt wie die Sache selber“, sagt Franz-Christoph Zeitler, Präsident der Bayerischen Landeszentralbank (siehe Interview). Und Wim Duisenberg wischte schon vor Wochen das Begehr der Regierung vom Tisch, die Inflationsprognosen der EZB zu veröffentlichen. Damit nämlich hätten die Politiker ein Papier in der Hand, mit dem sie ihre Einmischungen unterfüttern könnten. Mehr als Verwirrung bei Europas Bürgern würden sie damit aber auch nicht produzieren.