Hauptstadt unterm Hammer

Grundstücke im Wert von 24 Milliarden Mark sollen verkauft werden. Branchengrößen als Zwischenbesitzer anvisiert. Konstruktion jedoch steht in Frage  ■ Aus Berlin Barbara Junge

Berlin kommt unter den Hammer – und als Auktionator und zugleich Zwischenbesitzer stehen offenbar zur Verfügung: der Stahlriese Thyssen-Krupp, die Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft, der Berliner Baulöwe Groth & Graalfs, eine ausländische Finanzgruppe und die Immobilientochter des Energie- und Technologieriesen Veba, die Raab-Karcher- Gruppe. Einer von diesen fünfen, so Insiderinfomationen, wird möglicherweise bald entscheiden dürfen, wem die Hauptstadt künftig gehört – natürlich meistbietend.

Insgesamt 34 Millionen Quadratmeter Grundstücke in Landesbesitz will die Große Koalition in der Hauptstadt auf den Markt werfen, das hatte der Senat bereits im Juli beschlossen. 10.000 Flurstücke, darunter Kleingärten, verpachtete Gewerbeflächen, Sportflächen, ungenutzte Grundstücke und Gebäude. Dazu soll ein sogenannter Liegenschaftfonds gegründet werden, in den Immobilien im Wert von 24 Milliarden Mark eingebracht werden.

Dieser Fonds, eines der größten Privatisierungsvorhaben in der Bundesrepublik, untersteht nach den Plänen der verantwortlichen Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) zwar formal noch der Kontrolle des Landes – ein von der Landesregierung eingesetzer Controller prüft die interne Rechnungsführung, und ein sechsköpfiger Aufsichtsrat, mehrheitlich durch den Senat bestimmt, wacht über die Geschäftsführung des Fonds. Doch de facto wird sowohl der Besitz an den Grundstücken als auch das gesamte operative Geschäft einem privaten Geschäftsbesorger übertragen. Und während ein Vergabeausschuß, zusammengesetzt aus SenatsvertreterInnen und Interessengruppen, den Aufsichtsrat berät, an wen denn verkauft werden könnte, obliegen den Geschäftsführern, die der sogenannte Geschäftsbesorger bestellt, die Entscheidungen.

Für diese Konstruktion wie auch für die Auswahlliste der Geschäftsbesorger will die Berliner Finanzsenatorin noch in diesem Monat einen Senatsbeschluß herbeiführen. Nach Informationen der taz sollen mittlerweile noch die fünf genannten Bewerber um den Geschäftsbesorgerauftrag auf einer Bewerberliste stehen. Diese Bewerber haben übrigens auch schon Einblick in die über die Grundstücke erstellte Datenbank der Finanzverwaltung erhalten.

Gleichzeitig mit den Grundstücken im Wert von 24 Milliarden Mark sollen dem Fonds Schulden der Landeskasse über 15 Milliarden Mark übertragen werden. Damit, so die Konstruktion der Finanzsenatorin, sollte es möglich sein, die Zinslast des Berliner Haushalts zu erleichtern – um jährlich eine Milliarde Mark. Innerhalb von 15 Jahren sollten auch die Schulden selbst durch die Verkäufe abgelöst sein.

Mindestens dieser Aspekt des Liegenschaftsfonds steht derzeit jedoch in Frage. Das Beraterkonsortium der Finanzsenatorin in Sachen Liegenschaftsfonds hatte Mitte Oktober in einer nichtöffentlichen Sitzung dem Landesparlament vorgetragen, daß eine Übernahme der Schulden des Landes in eine GmbH rechtlich nicht zu bewerkstelligen sei. Der imaginäre Schuldschein über die 15 Milliarden schließlich trage als Schuldner das Land Berlin.

Auch der Wert der Grundstücke steht allerdings zur Disposition. Diese Woche erklärte der Berliner Wirtschaftsstaatsekretär Wolfgang Branoner (CDU), der demnächst zum neuen Wirtschaftssenator der Hauptstadt gewählt werden soll: „Ich bezweifle, daß das Land bei der gegenwärtigen Marktlage jährlich Grundstücke in Höhe von einigen Milliarden Mark wird absetzen können.“ Er schätzt den Grundstückswert der ausgewählten Flurstücke auf nur 15 Milliarden Mark ein. Weitere Fragen muß sich die Finanzsenatorin gefallen lassen: Ist bei dieser unsicheren Konstruktion der Start für den Fonds am 1.Januar 1999 überhaupt noch möglich? Nimmt der Fonds tatsächlich, wie von den Beratern erwähnt, selbst wiederum Kredite auf?

Die Finanzverwaltung ist optimistisch. Für die Rechtskonstruktion finde man eine Lösung, heißt es im Hause. Dem Zeitplan hinke man derzeit zwar hinterher, der Starttermin sei nicht gesichert, aber die Senatorin rechnet nur mit einer kurzen Verzögerung. Und um die Gesamtwertrichtlinie von 24 Milliarden Mark zu erreichen, sucht man derzeit auch in anderen Senatsverwaltungen nach noch mehr verkaufbaren Immobilien.