"Die PDS ist eine demokratische Partei"

■ Richard Dewes, SPD-Chef und Innenminister in Thüringen, über die rot-rote Koalition in Mecklenburg-Vorpommern und über sein Ziel, im kommenden Jahr Bernhard Vogel als Ministerpräsident in Thüringen

taz: Herr Dewes, möchten Sie gern der Harald Ringstorff von Thüringen werden?

Richard Dewes: Ich möchte wie Ringstorff Ministerpräsident werden. Die Frage ist nur, auf welchem Wege mir das gelingt.

Vielleicht mit Hilfe der PDS?

Das wird sich zeigen. Die SPD hält sich bis nach der Landtagswahl 1999 alle Optionen offen. Sie ist mit allen demokratischen Parteien grundsätzlich gesprächsbereit. Dazu zählt auch die PDS.

Genau das hat Ringstorff vor der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern auch gesagt.

Ich will keine Koalition mit der PDS um jeden Preis. Das gleiche gilt übrigens auch für eine Große Koalition mit der CDU. Ministerpräsident Bernhard Vogel hat vor einigen Wochen erklärt, die Christdemokraten stünden für eine von der SPD geführte Große Koalition nicht zur Verfügung. Das würde uns natürlich in eine schwierige Situation bringen, weil es denkbar ist, daß im nächsten Landtag wieder nur drei Parteien sitzen: SPD, CDU und PDS.

Es ist spekuliert worden, die SPD könnte nach ihrem Wahlsieg in Bonn die Gunst der Stunde nutzen und die Große Koalition in Thüringen aufkündigen. Ist diese Überlegung vom Tisch?

Wir hatten das nie vor. Die SPD wird die Große Koalition bis zum Wahltag 1999 fortsetzen.

Ihr persönliches Verhältnis zum CDU-Ministerpräsidenten Vogel gilt als ausgesprochen schlecht. Und mit ihm wollen Sie jetzt weiterarbeiten?

Ich habe mit Herrn Vogel ein funktionierendes, aber schwieriges Arbeitsverhältnis. Das ist jedoch kein Grund, in der kommenden Regierung nicht mit der CDU zusammenzuarbeiten.

Und wenn die CDU die Landtagswahl gewinnt?

Dann stehe ich persönlich in einer Großen Koalition für ein Ministeramt nicht mehr zur Verfügung.

Welche Bedeutung hat für Sie, daß in Schwerin die SED-Nachfolger wieder an der Macht sind?

Für Ostdeutschland bedeutet diese Koalition aus SPD und PDS ein Stück Normalität. Viel wichtiger noch ist dieses Bündnis allerdings für Gesamtdeutschland. Es signalisiert, daß im Osten andere Wege gegangen werden als im Westen. Den traditionellen Westparteien ist es nach der Wende 1989 nicht gelungen, alle Menschen mitzunehmen und sie in das neue System zu integrieren. Diese Rolle ist der PDS zugefallen, und sie nimmt sie auch positiv wahr. Die PDS hilft ihren Mitgliedern und Wählern dabei, in der Bundesrepublik anzukommen und deren Werteordnung zu akzeptieren.

Ist die Koalition in Schwerin ein Durchbruch, der Ihnen ein Bündnis mit der PDS in Thüringen leichter macht?

Die rot-rote Koalition ist weder ein Durchbruch noch ein Modell. Es ist ein Wagnis, das die SPD eingeht. Wenn es gutgeht, eröffnet es uns allerdings neue Chancen.

Für weitere PDS-Koalitionen.

Nicht vordergründig. Die Chance besteht in etwas anderem: Im Westen muß endlich anerkannt werden, daß es in Ostdeutschland einen politischen Faktor gibt, den es in Bayern oder Hessen nicht gibt. Es muß anerkannt werden, daß die PDS eine normale Partei ist, die durchaus Regierungsverantwortung übernehmen kann. Das alles bedeutet noch lange nicht, daß wir in Erfurt den gleichen Weg gehen wie in Schwerin.

Ist die PDS heute schon eine demokratische Partei, die reif für die Macht ist?

Im Osten, ja. Es gibt nicht die PDS. Die westdeutschen Landesverbände sind ein Sammelsurium linker und linksextremer Gruppierungen. Die PDS ist, wie die CSU, eine Regionalpartei, und ich bin sicher, sie wird es bleiben. Daran ändert auch nichts, daß sie mit einer Fraktion im Bundestag sitzt.

Ihre Parteifreunde Richard Schröder, Erhard Eppler und andere fürchten, daß Ihre Politik der Integration die PDS stark macht und die Mehrheitsfähigkeit der SPD auf Bundesebene gefährdet. Teilen Sie deren Befürchtung?

Die Autoren des Strategiepapiers sind allein von der Sorge getrieben, daß sich links von der SPD eine Partei etabliert. Man dürfe das nicht zulassen und müsse die PDS deswegen von der Macht fernhalten. Das ist reiner Machiavellismus. Wer so denkt, will die PDS letztlich plattmachen. Dieser Umgang schadet der deutschen Einheit. Ich möchte die PDS nicht platt machen, sondern überflüssig machen.

Indem Sie sie zum Regieren einladen? Das ist doch blauäugig. Damit machen Sie die PDS erst recht stark.

Zugegeben, diese Gefahr besteht, aber ich bin überzeugt, daß es zu diesem Weg keine Alternative gibt. Es gibt nun mal die PDS, sie wird überall in Ostdeutschland von zwanzig Prozent der Menschen gewählt, und sie ist erst durch die Politik der Ausgrenzung stark geworden. Ich bin aus dem Saarland nach Thüringen gekommen, um dazu beizutragen, daß die Ostdeutschen selbstbewußter werden und sich nicht länger als Menschen zweiter Klasse verstehen.

Halten Sie es vor diesem Hintergrund für notwendig, die PDS weiter vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen?

Der Bonner Innenminister Otto Schily hat es völlig zu Recht als Dilemma bezeichnet, eine Partei zu überwachen, die in einem Bundesland mitregiert. Aber ich möchte Schily nicht aus seiner Verantwortung entlassen. Er soll das prüfen und uns sagen, was er für richtig hält. Darüber können wir dann diskutieren. Aber ich werde den Teufel tun, an unserer Praxis jetzt etwas zu ändern. Wir beobachten die PDS weiter – nicht als Gesamtpartei, sondern nur die dogmatischen Gruppierungen wie die Kommunistische Plattform und die AG Junge Genossen.

Eine Zusammenarbeit mit der PDS kommt erst dann in Frage, haben Sie vor drei Jahren erklärt, wenn sich die Partei programmatisch weiterentwickelt und mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzt. Hat sie das getan?

Die PDS hat sich entwickelt und mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt, wenn sie sich auch schwer damit tut. Die Thüringer SPD bringt gerade ein Gesetz in den Landtag ein, demzufolge ein Abgeordneter, der für die Stasi gearbeitet hat, sein Mandat verliert. Einige haben dagegen verfassungsrechtliche Bedenken. Mir kommt es aber auf die Botschaft an: Ich erwarte von der PDS, daß sie sich offensiver mit diesem Thema auseinandersetzt und einen Selbstreinigungsprozeß einleitet. Aus diesem Grund bin ich auch gegen die Abschaffung der Regelanfrage bei der Gauck-Behörde für Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. Den Beschluß der SPD/PDS- Koalition in Mecklenburg-Vorpommern halte ich für falsch. Interview: Jens König

und Nick Reimer