Low-Tech statt Handicap

Es gab eine Zeit, da war noch Ordnung in der Welt. Taubstumme unterhielten sich durch wirre Gebärden, Blinde mußten sich bockige Hunde halten, und Taubblinde dämmerten gänzlich ohne audiovisuelle Kommunikation durchs Leben. Doch diese Tage scheinen gezählt, denn angetrieben von der Christoffel-Blindenmission sind zahlreiche Nachwuchstüftler/innen im Rahmen von „Jugend forscht“ dabei, die wohlgehüteten Privilegien all derjeniger ohne Handicap auch Behinderten in Form spezieller Geräte zu erschließen. Wo soll da denn noch Mitleid gedeihen, wenn kein echter Unterschied mehr feststellbar ist? Und grenzt es nicht geradezu an fragwürdige Vorzugsbehandlung, wenn Blinde, Taube und anders Behinderte mit High-Tech-Geräten ausgestattet werden? Im letzten Jahr zählten beispielsweise Hindernissensoren an Blindenstöcken und Datenhandschuhe zur Übersetzung des Finger- Alphabets in Lautsprache zur Palette der Erfindungen, während unsereins weiterhin seine eigenen Organe zum Zwecke der Alltagsbewältigung abnutzen muß. Aber um den Neid nicht allzu stark zu schüren, sollen dieses Mal bevorzugt einfache Techniken zum Einsatz kommen, wegen der Übertragbarkeit in arme Länder, wie es offiziell heißt. Bis zum 30.11.98 darf noch fröhlich geforscht werden. Danach kehrt hoffentlich erst einmal wieder Ordnung ein. mg

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