Hunderttagefragen

Steht der Kanzler auch immer früh auf? Gegen sechs? Kann er im Kanzleramt frühstücken? Immer die gleichen Fragen beschleichen uns hinterrücks, wenn wir an der Spree langgehen. Berliner Architekten können uns beruhigen: Gerhard Schröder kann Mitte des Jahres 2000 umziehen. Sein Kanzleramt wird ein Himmelreich aus Holz und Glas.

Wenn er müde vom Schreibtisch aufsteht, bringt ihn ein feuersicherer Aufzug eine Etage höher. Vielleicht wirft der Kanzler noch einen Blick durch das Guckloch in der Wand (grün gestrichen) und schaut in das runde Amtstreppenhaus, durch das sich die „Bonner Freitreppe“ wie eine Schnecke in den siebten Stock windet. Auf dem Podest lümmelt niemand mehr. Zufrieden schließt Schröder die doppelflügige Wohnungstür auf (Rotbuchefurnier) und steht im Reich der Moderne. Hohe Decken, halbrunde, vollverglaste Fassade mit Blick auf den Osten.

Kann Schröder im Berliner Kanzleramt auch Kaffee kochen?

Vor ihm liegt der repräsentative Hauptraum (Fußbodenheizung), rund 100 Quadratmeter groß. Spärlich möbiliert, nur zwei Sitzgelegenheiten hat der Achitekt vorgesehen. Vielleicht zappt Schröder auf „Liebe Sünde“, legt sich auf den grün-gelben Sessel „Glup“ und raucht eine Zigarre. Vielleicht schiebt er linker Hand die Flügeltüren beiseite und macht es sich auf dem Bett bequem. Auf keinen Fall braucht er auf ein modernes Bad zu verzichten. Nur die Kachelfrage muß er noch klären. An des Kanzlers Bad grenzt ein kleineres Zimmer in der Grundform eines Kuchenstücks. Das könnte das Kinderzimmer werden. Oder soll die Tochter seiner Frau doch lieber ans gegenüberliegende Ende der Wohnung? Rechts vom Hauptraum geht das Eßzimmer ab, dahinter liegt ein Bad, an das ebenfalls ein Tortenzimmer grenzt. Zwei Sofas, ein Eßtisch, ein Doppelbett, zwei Kinderzimmer, drei Bäder, keine Edelhölzer (zu teuer) kein Parkettboden (zu teuer). Die Pläne für Schröders Arbeitswohnung sind fast fertig.

Und wenn der Kanzler morgens schlaftrunken durch die Bude wankt, kann er sich in der kleinen Küche eine Kaffee brühen. Weit hat er es ja nicht bis zum Schreibtisch. Eine Wendeltreppe führt direkt in sein Arbeitszimmer (grün gestrichen). Annette Rogalla