Und Magdeburg sorgt sich ums Image

■ In Sachsen-Anhalts Hauptstadt wurde der dunkelhäutige Ausländerbeauftragte überfallen. Stadt spricht von einem Rückschlag

Magdeburg (taz) – Diesmal traf es ausgerechnet den Ausländerbeauftragten der Stadt Magdeburg: Als Abdoul Coulibaly in der Nacht zum Montag nach Hause kam, wurde er von fünf Jugendlichen im Alter von 18 bis 20 Jahren – darunter ein Mädchen – zusammengeschlagen. Als „heimtückisch“ beschreibt der Westafrikaner aus Mali den Überfall. „Die haben mich an die Wand gedrückt, mir mit Fäusten ins Gesicht geschlagen“, erzählt Coulibaly der taz. Der 34jährige spricht von „Glück, daß ich mich losreißen und in den Fahrstuhl fliehen konnte“. Glück – für Coulibaly heißt das Prellungen, die ambulant behandelt werden mußten, und der Verlust seines Aktenkoffers.

„Der Druck zur Aufklärung ist riesengroß“, erklärte Polizeisprecher Frank Küssen gestern. Der Innenminister habe die Beamten aufgefordert, so schnell wie möglich Täter und Motiv zu präsentieren. Küssen ist denn auch froh, „derzeit so etwas wie eine erste Spur zu haben“. Danach geht die Polizei nicht von einer Tat mit ausländerfeindlichem Hintergrund aus. Unmittelbar vor dem Überfall hätten im selben Wohnblock fünf Jugendliche einen Mieter bedroht, der daraufhin die Polizei rief. „Es wäre gut, wenn sich keine Ausländerfeindlichkeit bestätigen läßt“, so der Polizeisprecher.

Selbst wenn sich Küssens Hoffnung erfüllt, hilft das Magdeburg wenig. Die jährlichen Krawalle am Himmelfahrtstag, Übergriffe auf Inder, Iraker, Vietnamesen oder die blutigen Auseinandersetzungen von rechten und linken Jugendlichen haben der Stadt ein ausländerfeindliches und gewalttätiges Image eingetragen. 1994 gingen Bilder mit kahlrasierten Neonazis um die Welt, die Schwarzafrikaner durch die Stadt trieben. 1992 und 1997 erlagen zwei Punks nach Skin-Überfällen ihren Verletzungen. Oberbürgermeister Willi Polte (SPD) versucht zwar, in diversen Kampagnen ein anderes Bild der Stadt zu malen. Solange die Kette der Gewalt nicht abreißt, ist das aber für die Katz.

Sachsen-Anhalts Innenminister Manfred Püchel hat Abdoul Coulibaly gestern zu einem Gespräch über die Situation der in Magdeburg lebenden Ausländer eingeladen. Mit der Stadtverwaltung redete der Ausländerbeauftragte bereits. „Die Stadt hat mir zugesichert, daß sie Maßnahmen ergreift, damit so etwas nicht mehr vorkommt“, sagte Coulibaly. Wie diese aussehen sollen, weiß allerdings weder die Stadt noch Coulibaly, der Ausländerbeauftragte.

6.000 nichtdeutsche Magdeburger betreut der Ausländerbeauftragte Coulibaly, der vor elf Jahren in die DDR kam, um in Magdeburg an der Ingenieurschule Bauwesen zu studieren. Anders als damals seien Beschimpfungen wegen seiner Hautfarbe heute an der Tagesordnung. Um etwas dagegen zu tun, stellte sich Coulibary vor einem Jahr als Ausländerbeauftragter zur Wahl. In seinem Ehrenamt ist er in Magdeburg neben den „normalen Ausländer-Problemen“ auch immer wieder mit Fremdenfeindlichkeit konfrontiert.

Bislang richtete sich seine Wut nicht pauschal gegen die Deutschen. Das hat sich mittlerweile geändert. „Wie sollen uns Deutsche akzeptieren, wenn die Politik sagt, daß an allem die Ausländer schuld sind“, sagt Coulibaly.

Ob er mit seiner deutschen Frau und seinem sechsjährigen Sohn in dem Haus wohnen bleibt, in dem er überfallen wurde, weiß der arbeitslose Schwarzafrikaner nicht. Fest steht für Coulibaly derzeit nur eins: „Ich werden mich nicht unterkriegen lassen.“ Weder als Ausländerbeauftragter noch als Magdeburger. Nick Reimer