Rektoren als Zensoren unerwünscht

■ Die PDS fordert mehr Unabhängigkeit für Schülerzeitungen: Die Schulleiter sollen die Hefte vor dem Verkauf nicht zu sehen kriegen

Wohl niemand wartet so gebannt auf die neue Ausgabe einer Schülerzeitung wie ein Schulleiter: Was bringen seine Zöglinge dieses Mal unters (Schul-)Volk? Damit nur ja nichts schiefgeht, darf er vor dem Verkauf einen Blick ins neue Heft werfen. Nach den geltenden Vorschriften für Schülerzeitungen sind die Nachwuchsjournalisten sogar gezwungen, ihrem Rektor die neue Ausgabe vorzulegen. Die PDS sieht in dieser Vorschrift einen klaren Fall von Zensur und fordert deren Abschaffung.

„Der Direktor übt so Zensur aus“, erklärt Benjamin Hoff, bildungspolitischer Sprecher der PDS. „Er kann den Inhalt der Zeitung beeinflussen oder das Erscheinen der Zeitung an der Schule ganz verhindern. Dabei sind nach dem Pressegesetz auch Schülerzeitungen unabhängig.“ Die Meinungsfreiheit endet jedoch im Rektorenbüro, wenn der Schulleiter „die Erfüllung des Unterrichts- und Erziehungsauftrage der Schule gefährdet“ sieht, wie es in der Vorschrift heißt. Dann kann der Rektor den Vertrieb auf dem Schulgelände verbieten. Allerdings muß die Schulkonferenz dann noch beraten, ob das Verbot tatsächlich gerechtfertigt ist.

An der Emanuel-Lasker-Oberrealschule in Friedrichshain wurde diese Sitzung jedoch nie einberufen, obwohl Schulleiter Thomas Herold die ELO aus dem Verkehr gezogen hatte. Die gesamte Auflage der Schülerzeitung liegt nun im Schulkeller. Stein des Anstoßes war eine Umfrage zum Thema: „Wie sind sie eigentlich – unsere ,Ausländer‘?“ Vier der fünf Antworten seien fremdenfeindlich gewesen, sagte Herold. Eine kritische Einordnung durch die Redaktion fehlte jedoch. Der dadurch entstehende Eindruck von der Schule könne nicht Absicht der Redakteure gewesen sein, glaubt der Rektor. Er habe das Ganze für ein „reparables Versehen“ gehalten. „Es wurde gemeinsam mit den Redakteuren entschieden, die Zeitung nicht zum geplanten Termin erscheinen zu lassen“, sagte er.

Martin Bosch, Anti-Zensur-Referent der Jungen Presse Berlin, hält Herolds Vorgehen für gesetzeswidrig. Der Oberstufenschüler ist nicht der Ansicht, daß „die Schulmeinung“ in einer Schülerzeitung repräsentiert werden muß. „Thomas Herold hat Angst davor, daß seine Schüler ausländerfeindlich sein könnten“, sagt er. „Die Redaktion der ELO hat sich nach dem Nichtverteilen der Zeitung so gut wie aufgelöst“, berichtete Bosch. Alle hätten Angst vor Repressalien. Er wolle nun die Parteien zu einem klärenden Gespräch zusammenbringen.

Die Junge Presse, ein Zusammenschluß von Schülerzeitungen, unterstützt die Forderung der PDS nach mehr Freiheit für die 350 Berliner Schülerzeitungen. In anderen Bundesländern, zuletzt in Mecklenburg-Vorpommern, sind die Vorschriften bereits abgeschafft.

Der Senat dagegen hält die Vorschrift für unproblematisch. „Die PDS bauscht auf. Es gibt keine Zensur von Schülerzeitungen“, sagte die Sprecherin der Schulverwaltung, Almuth Draeger. „Das Vertriebsverbot ist ja schließlich nur ein letztes Mittel.“ Am liebsten wäre ihr, die Regelung werde nie angewendet. Aber letzlich gebe sie auch den Redakteuren Sicherheit, die schließlich keine ausgebildeten Journalisten seien. Zur Not bleibe ja noch eine andere Lösung, schlägt Almuth Draeger vor: „Früher haben wir die Zeitung einfach vor dem Schultor verteilt.“ Ocke Bandixen/Iris Krumrei