Unbegründete Angst vor einheitlichen Preisen

■ Der Euro kommt: Gleiche Löhne bedeuten nicht, daß die Menschen quer durch Europa auf Jobsuche gehen. Auch Autos und Kühlschränke werden in Euroland weiter regional unterschiedlich teuer sein

Brüssel(taz) – Die Verbraucherschützer hoffen, die Gewerkschaften fürchten, und die Unternehmer halten sich bedeckt. Der Euro, heißt es, werde Preise und Löhne von Lissabon bis Helsinki vergleichbar machen und langfristig zu einer Angleichung führen. Die meisten Wirtschaftswissenschaftler sind sich einig, daß es vermutlich eine Angleichung nach unten geben wird. In der Baubranche etwa hat das Lohndumping portugiesischer und britischer Arbeiter bereits dazu geführt, daß sich zunehmend auch deutsche Maurer unter Tarif beschäftigen lassen. Der Euro soll diesen Trend auch in anderen Sektoren fördern.

Wieso eigentlich? Daß immer mehr Arbeitskräfte aus den EU- Ländern in Deutschland arbeiten, hat viel mit dem Binnenmarkt und nichts mit der Währung zu tun. Die Freizügigkeit macht die grenzüberschreitende Jobsuche möglich, attraktiv wird sie nur bei groben Lohnunterschieden oder wenn man zu Hause arbeitslos ist. Wer umzieht, hat die Vorteile kalkuliert. Schwer vorstellbar, daß der Wechselkurs da ein ernsthaftes Hindernis sein soll.

Die einheitliche Währung wird die Mobilität der Arbeitskräfte nicht spürbar erhöhen. Der Automechaniker in Aachen weiß auch heute, was sein Kollege im 30 Kilometer entfernten belgischen Welkenrath verdient. Was der Mechaniker in Berchtesgaden in Mark verdient, weiß er dagegen vermutlich nicht. Lohnvergleiche werden nicht durch den Wechselkurs behindert, sondern durch ganz banale Probleme: Wer sagt mir, was ich woanders verdienen könnte, was ist in diesem Lohn enthalten, und welche Zusatzausgaben erwarten mich? Der Euro ändert daran nichts.

Übertrieben ist auch die Angst der Gewerkschaften, Unternehmen könnten mit Hinweis auf die niedrigeren Löhne anderswo die eigenen Arbeiter unter Druck setzen. Das versuchen sie heute schon, die einheitliche Währung könnte den Gewerkschaften künftig sogar helfen, die übrigen Betriebskosten zu vergleichen, um die Politik der Geschäftsleitung besser einzuschätzen.

Auch bei den Preisen für Verbrauchsgüter wird sich nicht so wahnsinnig viel bewegen. Lebensmittel, Elektrogeräte oder Möbel sind selbst innerhalb Deutschlands unterschiedlich teuer. Die Preiskalkulation richtet sich nach dem lokalen Markt. Im Bayerischen Wald kostet ein Bier gut 30 Prozent weniger als in München, die Waschmaschine dagegen dürfte ein gutes Stück teurer sein. Dafür gibt es Gründe, die mit lokaler Kaufkraft- und Konkurrenzsituation zu tun haben und mit dem Euro nicht verschwinden.

Für Normalbürger, die nicht gerade in Grenznähe wohnen oder ohnehin im Ausland unterwegs sind, macht der grenzüberschreitende Preisvergleich nur bei teuren Produkten wie Computer oder Autos Sinn. Und da sind die Hersteller mit großem Eifer dabei, die Vergleichbarkeit zu verwischen. Nach Angaben der EU-Kommission kostet beispielsweise ein mittelgroßer Pkw in Belgien 15 bis 25 Prozent weniger als in Deutschland. Doch das ist Theorie. In der Praxis sind die Wagen so unterschiedlich ausgestattet, daß man einen halben Tag lang Ersatzteillisten studieren muß, um herauszufinden, ob ein VW-Passat in Deutschland oder Belgien billiger ist. Die Autokonzerne möchten verhindern, daß die Kunden den Gewinnspannen in Hochpreisländern ausweichen.

Natürlich wird es einige Bereiche geben, wo die Einführung des Euro zu einer spürbaren Preisangleichung führt. Ikea beispielsweise wird für ein und dasselbe Möbelstück nicht elf verschiedene Euro-Preise in den Katalog schreiben können. Aber das sind Ausnahmen mit minimalen Auswirkungen auf unsere monatlichen Ausgaben. Wenn sich Preise und auch Löhne in Euroland angleichen sollten, dann höchstens durch die erzwungene Abstimmung der Euro-Regierungen in der Wirtschaftspolitik. Das wäre aber kein Schaden. Alois Berger