Sprachverarmung ade

■ Die Europäische Charta zum Schutz der Regionalsprachen tritt morgen in Kraft

Berlin (taz) – Peter Gerckens vom SSW, der politischen Vertretung der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein, ist davon überzeugt: Der Trend der Sprachverarmung im Norden Deutschlands ist gestoppt. In den Schulen gibt es seit 15 Jahren zweisprachigen Unterricht, Radio und Fernsehen bringen Regionalnachrichten in dänischer Sprache, Beamte werden zu Sprachkursen gebeten. Vielsprachigkeit ist in der Grenzregion zum nördlichen Nachbarn Dänemark völlig normal.

Für Friesen, Sinti und Roma dagegen ist die Situation deutlich schlechter. Für sie würde die Europäische „Charta zum Schutz der Regional- und Minderheitensprachen“ sicher etwas bringen, „für uns Dänen verspricht sie nur eine Absicherung der bestehenden Förderung“, meint Gerckens.

Die Charta tritt in Deutschland am 1. Januar in Kraft. Sie ergänzt die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten, die in Deutschland seit Februar 1998 besteht. Für Bund und Länder ist der Völkerrechtsvertrag mit der Verpflichtung verbunden, den Regionalsprachen „einen angemessenen Platz im öffentlichen Leben“ einzuräumen. Bemühungen des Europarates, eine Liste der europäischen Regionalsprachen in die Charta einzubringen, scheiterten allerdings am Veto einiger Mitgliedsländer. So bestimmt nun jedes Land selbst, welche Sprachen es für erhaltenswert hält. In Deutschland sind das Sorbisch, Friesisch, Dänisch, Niederdeutsch und Romanes, die Sprache der Sinti und Roma.

Neu im Vertragswerk ist, daß das Unterzeichnerland schon im Vorschulalter muttersprachliche Betreuung gewährleisten muß. Im Frühjahr soll in Bonn eine Bund- Länder-Konferenz unter Mitarbeit von Vertretern der Minderheitengruppen über die Umsetzung der Charta beraten.

Für die sorbische Minderheit sind viele der Charta-Forderungen bereits Realität. Jakob Brankatschk, Vorsitzender des Bundes Lausitzer Sorben Domowina, berichtet von vier Kindergärten, in denen sorbisch gesprochen wird. Mit der medialen Präsenz sei er jedoch nicht zufrieden. „Vor allem in Sachsen bewegt sich nichts“, sagt der ehemalige Gymnasiallehrer. Der MDR verweigere ein sorbisches Regionalfenster mit dem Verweis auf technische Probleme. Sorben in Brandenburg können sich immerhin über den ORB alle vier Wochen eine halbe Stunde sorbisches Programm anschauen. Größere Auswahl hat da die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein. „Mittlerweile“, berichtet Peter Gercken, „haben wir Dänen alle Kabel und gucken die dänischen Sender.“ Markus Völker