"CDU war schon mal weiter"

■ Berlins christdemokratische Ausländerbeauftragte Barbara John hält "gar nichts" von der Kampagne ihrer Partei gegen die erleichterte Einbürgerung. Das habe den "Anschein eines Kreuzzuges"

taz: Frau John, mit welchen Gefühlen beobachten Sie die geplante Unterschriftenaktion Ihrer eigenen Partei?

Barbara John: Ich halte gar nichts von einer Kampagne zu einer so komplizierten Frage wie dem Staatsbürgerschaftsrecht. Kampagnen werden nicht mit Argumenten, sondern mit Schlagworten geführt. Gerade in dieser Frage müssen sich alle argumentativ erklären, damit endlich eine interessante Diskussion in Gang kommt. Rot-Grün muß sagen, welche entscheidenden Vorteile für eine doppelte Staatsbürgerschaft sogar im Regelfall sprechen, und die andere Seite muß erklären, warum sie das jetzt als Teufelswerk verbannt. Solange die Abstimmung nur in der Form „ja-nein“ geführt wird, ist sie nur Stimmungsmache und dient dem Zusammenleben nicht. Das hat den Anschein eines Kreuzzuges. Da wird auf dem Rücken der Ausländer ein Einbürgerungskrieg ausgetragen.

Können Sie denn die Bedenken Ihrer Partei nachvollziehen, die erleichterte Einbürgerung behindere sogar die Integration?

Das sind Behauptungen, für die die Argumente fehlen. Daß etwa Menschen aus dem radikalen Umfeld oder PKK-Anhänger dann Deutsche würden, die man dann nicht mehr ausweisen kann, ist doch kein Argument. Menschen aus radikal-religiösen oder politisch radikalen Zuordnungen könnten schon jetzt die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen, und sie tun es meist auch, weil sie die verhaßte frühere Staatsbürgerschaft loswerden wollen. Da würde sich durch die neue Regelung doch gar nichts ändern. Dieser Einwand ist lächerlich. Das ist höchstens ein Argument gegen Einbürgerungen insgesamt, aber dagegen hat sich auch die CSU nie ausgesprochen.

Worüber sich diskutieren ließe: Wenn bei Anspruchseinbürgerungen künftig einfach nur abgehakt würde – ist der Anwärter acht Jahre hier, ist er nicht mit mehr als 150 Tagessätzen vorbestraft, hat er eine Arbeit, und ansonsten überprüfen wir nichts mehr. Aber dazu höre ich nichts. Ich frage mich deshalb, worum es bei dieser Kampagne wirklich geht.

Die CSU will Ausländer bei ihrer Einbürgerung auf ihre Verfassungstreue überprüfen.

Ach Gott. Bei den Ermessenseinbürgerungen wird das schon jetzt gemacht. Natürlich werden Leute aus radikalen Kreisen nicht aufgenommen. Aber wie will man Verfassungstreue überprüfen, wenn ein Mensch sich nichts hat zuschulden kommen lassen? Wenn jemand kein Straftäter ist, dann ist er doch rechts- und verfassungstreu. Alle, auch die rot-grüne Regierung, sind dagegen, daß Menschen aus radikalen Gruppierungen eingebürgert werden. Das ließe sich in einem Gesetzentwurf auch durchaus aufgreifen, aber das ist doch kein Argument gegen erleichterte Einbürgerung.

Was raten Sie Ihrer Partei?

Ich möchte allen Parteien folgendes raten: Die Frage des Staatsangehörigkeitsrechts wird alle Bürger beschäftigten, und es werden sich Meinungen dazu bilden, die nicht fundiert sein können, weil Menschen, die ihre Staatsbürgerschaft in die Wiege gelegt bekommen haben, darüber gar nicht nachdenken. Warum sollten sie auch? Deshalb darf man sie nicht zwingen, für das eine oder andere Modell zu stimmen. Aber Parteien haben eine Aufklärungsfunktion. Sie wirken an der Willensbildung des Volkes nicht dadurch mit, daß sie die Einbürgerung wie ein Waschmittel verkaufen. Sie müssen Argumente liefern, sie müssen aber auch für die doppelte Staatsbürgerschaft werben. Wir brauchen dafür eine breite Mehrheit, denn letztlich bürgern nicht die Parteien ein, sondern die Deutschen. Daß sie die neuen Bürger aufnehmen und voll akzeptieren, darauf kommt es an. Und das ist keine Frage von Unterschriftensammlungen und eignet sich nicht für parteipolitische Spiele. Dafür müssen die Parteien zusammenrücken. Auch die CDU war da ja mit ihren Reformvorschlägen längst schon einmal einen Schritt weiter. Interview: Vera Gaserow