Altlasten auf ewiges Eis gelegt

Ein deutscher Geologe will den giftigen Schrott von aufgegebenen Polarstationen kostenfrei entsorgen. Doch die zuständigen Länder wehren sich gegen die Einmischung  ■ Von Nils Kopp

Old Ikateq liegt an der Nordseite des Ikateq-Fjordes in Ostgrönland. Der Ort ist menschenleer, die nächste Stadt Stunden entfernt, in der Umgebung nichts als Berge, Eis, Schnee und Wasser. Gut zwei Dutzend vergammelte Militärlaster und Kettenfahrzeuge, ein eingestürzter Flugzeughangar und Tausende von verrosteten Fässern mit Resten von Öl und Benzin sind die Andenken an den einstigen US- Luftwaffenstützpunkt Old Ikateq, der im Zweiten Weltkrieg den US- Flugzeugen zum Zwischentanken diente. In den 50er Jahren wurde er aufgegeben. Zurückgelassen haben die GIs einen Haufen Schrott und Müll.

Solche Polar-Deponien müßten nicht mehr lange existieren, meint Andreas Sanders, Gründer der Organisation „Polar-Care“. Er hat Erfahrung mit der Entsorgung aufgegebener Polarstationen: Von 1994 bis 1997 betreute er den Abriß der ehemaligen DDR-Station „Georg Forster“ in der Antarktis. Für die Entsorgung wird der gesamte Schrott nach Material sortiert und per Schiff in eine möglichst nahegelegene Entsorgungs-, oder Recyclinganlage gebracht. Die Kosten für die Entsorgung sollten nach den Plänen von Sanders über Sponsoring aufgebracht werden. Doch von den dänischen, amerikanischen und grönländischen Behörden bekam er dennoch kein grünes Licht.

Der Grund: Für den Polarmüll fühlt sich niemand zuständig. Die Amerikaner verwiesen auf die dänische Regierung und auf die grönländische Verwaltung, das dänische Umweltamt verwies auf die grönländische Verwaltung und umgekehrt. Niemand will durch die Bereitschaft zur Kooperation eine eigene Verantwortung eingestehen. Dabei ging es Sanders keineswegs darum, einen Schuldigen zu finden: „Das sind Altlasten, da kann man keinem einen Vorwurf machen. Das Wissen um die ökologische Bedeutung der Polarregionen ist jünger als diese Abfälle.“

Zum anderen, meint Sanders, habe auch einfach Ignoranz bei den Verantwortlichen sein Projekt bisher verhindert. Ein Mitarbeiter der Danish Environmental Protection Agency (DEPA), dem dänischen Umweltamt, habe ihm gegenüber geäußert: „Wenn irgendwo in Grönland 100 Fässer Altöl auslaufen – das interessiert mich doch gar nicht.“

Rückfragen bei der DEPA ergeben noch andere Gründe für die Zurückhaltung, „Polar-Care“ zu helfen. „Das ist doch so, als käme ich zu Ihnen an die Tür und würde Sie fragen, ob ich Ihre Wohnung aufräumen darf. Und dann erzähle ich überall herum, wie dreckig es bei Ihnen ist“, heißt es von der dänischen Umweltbehörde. Das Engagement des deutschen Geologen wird als Einmischung in innere Angelegenheiten empfunden.

Das Old-Ikateq-Projekt ruht bei Sanders nach einem Jahr erfolgloser Arbeit erst einmal, obwohl er viel Zeit, Geld und Arbeitskraft investiert hat. Doch das Aufräumen in den Polarregionen will er nicht auf Eis legen, dafür gibt es zuviel zu tun: Auf Franz-Josef-Land über Sibirien existiere zum Beispiel eine Station der Sowjets aus dem Kalten Krieg. Dagegen sei Old Ikateq noch harmlos. Eine Fläche von zwei mal drei Kilometern voll von Schrott, Müll und Gefahrenstoffen, ein Flugzeugwrack, zahlreiche Fahrzeuge und alte Chemikalien – insgesamt rund 20.000 Tonnen – warteten da auf eine ordentliche Entsorgung.

„Sie können die Antarktis in dieser Sache nicht mit der Arktis vergleichen“, erklärt der Sprecher des dänischen Umweltamts auf Nachfrage. Der wesentliche Unterschied: Im Nordpolarkreis gibt es viele Gebiete, die Teile bestehender Staaten sind. Das macht umweltschützendes Engagement für Außenstehende schwierig, vor allem wenn es nicht um offensichtlich grenzüberschreitende Probleme geht. Für die Antarktis jedenfalls haben sich 1991 die Unterzeichner des Antarktis-Vertrages (insgesamt 43 Nationen) unter anderem darauf geeinigt: „Aufgegebene Arbeitsstätten antarktischer Tätigkeiten werden vom Verursacher und vom Benutzer der Stätten gesäubert.“ Für die Arktis existiert bisher kein vergleichbares Abkommen.