Der Umsturz in Sierra Leone ist ein Fiasko für Nigeria

■ Die nigerianisch geführte Eingreiftruppe Ecomog muß ihre Rolle in Westafrika überdenken

Berlin (taz) – Die westafrikanische Eingreiftruppe Ecomog ist noch nie so schwer geschlagen worden wie jetzt in Sierra Leone. Das ist eine große Herausforderung für die westafrikanische Regionalmacht Nigeria, die die Kriseninterventionstruppe beherrscht.

Die Truppe entstand im Sommer 1990 in Liberia auf Beschluß der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft als Aktion westafrikanischer Länder unter Führung Nigerias, um eine Eroberung der liberianischen Hauptstadt Monrovia durch den als prolibysch verschrieenen Guerillaführer Charles Taylor zu verhindern. Dies tat sie auch und blieb über sieben Jahre lang im Land – zunächst als kämpfende Truppe gegen Taylor, dann als Friedenstruppe zur Vorbereitung freier Wahlen im Sommer 1997. Ironie der Geschichte: Mit den Ecomog-überwachten Wahlen kam Taylor schließlich auf demokratischem Wege an die Macht – viel unanfechtbarer, als er es ohne Ecomog 1990 durch Krieg getan hätte.

Nach den Wahlen in Liberia war Ecomog eigentlich überflüssig – aber Nigerias Diktator Sani Abacha wollte sich militärisch profilieren. So wurde die Truppe in das benachbarte Sierra Leone verlegt, wo Nigeria schon dabei war, eine 1997 per Putsch an die Macht gekommene Militärjunta zu bekämpfen. Die Ecomog-Verstärkung brachte schließlich Nigeria im Februar 1998 den Sieg. Nie wurde Diktator Abacha irgendwo freudiger begrüßt als bei seinem Einzug in Sierra Leones Hauptstadt als „Befreier“ an der Seite des wiedereingesetzten früheren Präsidenten Ahmed Tejan Kabbah.

Die Ecomog, deren Truppen von Nigeria und Guinea gestellt wurden, blieb in Sierra Leone, um die Reste der gestürzten Junta und der mit ihr verbündeten Rebellenbewegung RUF zu bekämpfen. Als im Sommer 1998 in Guinea- Bissau Bürgerkrieg ausbrach, wurde auch die Militärintervention Guineas und Senegals dort bald als Ecomog-Eingriff kaschiert. Es wurde immer unklarer, nach welchen Kriterien eine Truppenentsendung in Westafrika als Ecomog gelten konnte.

Ende Oktober 1998 wurde auf einem Ecowas-Gipfel in Nigeria vereinbart, der Ecomog zukünftig einen formalen Status zu geben und sie einem politischen Sekretariat der Regionalorganisation unterzuordnen. Nigeria, jetzt von dem weniger ambitionierten Diktator Abdulsalam Abubakar regiert, würde damit seinen Status als Regionalmacht erstmals einem Regelwerk unterwerfen. Es steht zu vermuten, daß dies einigen nicht paßt. Seit Jahren ist es ein offenes Geheimnis, daß nigerianische Generäle sich in Liberia und Sierra Leone bereicherten: Sie beuteten Edelhölzer und Diamanten aus und verdienten auch an den Zuwendungen von Benzin und Rüstungsmaterial aus ihrer Heimat.

So ist denkbar, daß die plötzliche Serie von Niederlagen der Ecomog in Sierra Leone seit dem jüngsten Ecowas-Gipfel beabsichtigt war – um zu beweisen, daß jede Infragestellung der bisherigen Praxis desaströse Folgen hätte. Anders ist kaum vorstellbar, warum die Truppe gerade zu einem Zeitpunkt so schwer geschlagen wurde, wo sie fette Zuwendungen aus den USA bekommt und angeblich 19.000 Soldaten zählt – ein historischer Höchststand. Nigerias Generäle verlangen auch seit Monaten Verstärkung von anderen westafrikanischen Ländern und eine bessere Ausrüstung der Ecomog. 700 Soldaten aus Nigeria sind insgesamt in Sierra Leone getötet worden.

Daß das Desaster jetzt so gigantisch ausgefallen ist, war aber wohl kaum beabsichtigt. Die Ecomog- Pleite könnte nun den Stimmen Auftrieb geben, die diese Truppe ganz abwickeln wollen. Zunächst aber ist das Gegenteil zu beobachten. Aus Nigeria wird berichtet, neue Soldaten zur Verstärkung der Ecomog seien nach Sierra Leone unterwegs. Dominic Johnson