Endlich einmal Radio sein

Undurchhörbarkeit als Prinzip: FSK ist seit einem Jahr auf Vollfrequenz. Eine Bilanz  ■ Von Michael Hess

Einmal Moderator sein. Einige werden sich noch erinnern, vor langer Zeit ließ der NDR allmonatlich einen Hörer ans Radiomikro. Der stellte meist erst sich und dann seine Lieblingsplatten vor. Häufig irgendwelche Songs von Bands wie Yes, die sonst nirgendwo ausgespielt werden konnten. Draußen, am Radio, klang das alles furchtbar langweilig. Schließlich war man jung und wollte viel lieber Hits hören.

Heute sind alle irgendwie jung und Hits gibt's täglich 1000 Stunden satt. Vielleicht haben deshalb bei FSK ellenlange Yes-Songs Konjunktur. Als das Freie Sender Kombinat im letzten Januar die langersehnte Vollfrequenz für ein nichtkommerzielles Radio in Hamburg antrat, hielten sich diesbezügliche Hoffnungen und Befürchtungen noch die Waage.

Mittlerweile ist FSK aus dem Hamburger Kulturprofil nicht mehr wegzudenken, Sendungen wie „Sunday Service“, „Radio Gagarin“, oder auch „Die ganze Platte“ füllen eine Lücke, die seit der Durchformatierung des Radios und mit Aufkommen privater Anbieter Mitte der achtziger Jahre beständig größer wurde. Da stimmt es erfreulich, daß selbst die rechnerische Bilanz des Senders einigermaßen positiv ausfällt; die Zahl der Fördermitglieder konnte um 60 Prozent auf knapp 1600 gesteigert werden, drei feste Arbeitsplätze wurden eingerichtet und seit Oktober letzten Jahres verfügt man sogar über ein mobiles Sendestudio. Die begleitende Anschubfinanzierung durch die Medienstiftung Hamburg währt noch dieses Jahr, genug Zeit also, um sich um die noch fehlenden Fördermitglieder zu kümmern. Vielleicht aber auch, um genau deshalb von einigen Prinzipien Abstand zu nehmen.

Gerade im personellen Bereich ist bereits ein Umdenken zu beobachten. Gemäß des oben erwähnten Mottos glich die FSK-Zentrale am Schulterblatt lange einer Spielwiese von Selbsterfahrungssuchenden, die nach langwierigen Einarbeitungen schnell zur nächstbesten Töpfer-AG wechselten. „Viele Leute denken, FSK sei eine Art Offener Kanal, dabei zählt hier in erster Linie die Arbeit in den Redaktionen“, meint Katja Strube, Vorstandsmitglied der AnbieterInnengemeinschaft.

Die Zahl der aktiven Mitglieder übersteigt in manchen Redaktionen das Maß, innerhalb dessen eine Arbeit sinnvoll ist. So mußte die Musikredaktion kürzlich notgedrungen den Aufnahmestopp verkünden und eine entkräftete Wort-Redaktion bindet bis Ende Februar ausschließlich Sendeschleifen. Die Integration individueller Interessen in das kollektive Gesamtinteresse dürfte eine der zukünftigen Hauptaufgaben innerhalb des Senders sein. Nach außen dringt manchmal nicht mehr als ein Rauschen und viele „Ehms“ und „Ähs“. Stichwort: Undurchhörbarkeit. Die sogenannte horizontale Programmstruktur und die bewußte Negierung des journalistischen Handwerks führt selbst unter manchen Fördermitgliedern zum Frust. Radiomachen ist eine Sache, Zuhören eine andere. Und selbst das interessanteste Thema taugt nichts, wenn es einfach nur unbeholfen vorgetragen wird.

Doch an der vielgerühmten Undurchhörbarkeit will man auch weiterhin festhalten. „An Professionalität haben wir nach wie vor kein Interesse“, so Strube, aber: „Vielleicht müssen wir mal einen Sprech-Workshop anbieten.“ Auch mit Wiederholungen muß weiterhin gerechnet werden. Teils aus ganz pragmatischen Gründen. So erfährt das morgendliche Frühstückskombinat nach der Erstausstrahlung eine sofortige Wiederholung. „Niemand frühstückt so lange“, gibt Strube zu bedenken, „und außerdem wiederholt NDR 4 sein Programm morgens viel öfter als wir.“

Gut daß es da noch die „Lignas Music Box“ gibt. Hier sind Wiederholungen per definitionem ausgeschlosen. Musiktitel werden live und direkt vom heimischen HiFi übers Telefon in den Äther geschickt. Selbst Hits dürfen gespielt werden. Konsequenter ist das Formatradio nicht zu konterkarieren. Einmal Radio sein.

Frequenz: 93.0 Mhz